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Der Glanz des Mondes

Der Glanz des Mondes

Titel: Der Glanz des Mondes
Autoren: Lian Hearn
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umgebracht zu haben. »Ich werde niemanden bestrafen. Ich mache mir eher Sorgen um ihre Sicherheit.«
    »Du hast ein Ungeheuer von der Kette gelassen«, sagte Makoto. »Hoffentlich hast du es auch im Griff.«
    Der Abt lächelte in seinen Weinbecher hinein. Abgesehen von seinen früheren Unterweisungen zur Gerechtigkeit hatte er mich den Winter über auch in Strategie unterrichtet, und da er meine Ansichten zur Eroberung von Yamagata und zu anderen Feldzügen kannte, wusste er, wie ich zu meinen Bauern stand.
    »Die Otori legen es darauf an, mich zu provozieren«, sagte ich zu ihm wie zuvor schon zu Kaede.
    »Ganz recht, dieser Versuchung müssen Sie widerstehen«, erwiderte er. »Ihr erster Impuls zielt natürlich auf Rache, doch selbst wenn Sie ihre Armee bei einem Aufeinandertreffen besiegen würden, würden die Otori sich einfach nach Hagi zurückziehen. Eine lange Belagerung wäre eine Katastrophe. Die Stadt ist so gut wie uneinnehmbar und früher oder später würden Ihnen Arais Truppen in den Rücken fallen.«
    Arai Daiichi war der Kriegsherr aus Kumamoto, der den Sturz der Tohan für sich genutzt hatte, um die Drei Länder in seine Gewalt zu bringen. Ich hatte im Jahr zuvor seinen Zorn geweckt, indem ich beim Stamm untergetaucht war, und nun würde ihn meine Heirat mit Kaede sicherlich noch mehr erzürnen. Er besaß eine große Armee, der ich nicht begegnen wollte, ehe meine eigene gut gerüstet war.
    »Dann müssen wir zuerst nach Maruyama, wie geplant. Aber wenn ich den Tempel schutzlos zurücklasse, werden die Otori sich vielleicht an euch und den Bewohnern der Umgebung rächen.«
    »Wir können viele Menschen innerhalb unserer Ringmauer unterbringen«, sagte der Abt. »Ich denke, dass wir genügend Waffen und Vorräte haben, um die Otori bei einem Angriff abzuwehren. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass sie es tun werden. Arai und seine Verbündeten werden Yamagata nicht ohne eine lange Auseinandersetzung aufgeben, und viele der Otori werden zögern, diesen Tempel, der ihnen heilig ist, zu zerstören. Ohnehin werden sie mehr damit beschäftigt sein, Sie zu jagen.« Er machte eine Pause. Dann fuhr er fort: »Ohne die Bereitschaft, auch Opfer zu bringen, können Sie keinen Krieg führen. Männer werden in Ihren Schlachten sterben, und bei einer Niederlage könnten viele, auch Sie selbst, grausam zu Tode gefoltert werden. Die Otori erkennen Ihre Adoption nicht an und wissen nichts von Ihrer Herkunft; in ihren Augen sind Sie ein Emporkömmling, kein Angehöriger ihrer Klasse. Sie können nicht einfach die Hände in den Schoß legen, weil sonst Menschen sterben. Auch Ihre Bauern wissen das. Sieben von ihnen sind heute gestorben, doch die, die überlebt haben, sind nicht traurig. Sie feiern den Sieg über jene, die Sie beleidigten.«
    »Ich weiß«, erwiderte ich und sah dabei Makoto an. Er hatte die Lippen fest aufeinander gepresst, und obwohl seine Miene keinerlei Regung verriet, spürte ich seinen Widerwillen. Wieder einmal wurde ich mir meiner Schwächen als Anführer bewusst. Ich hatte Angst, dass sowohl Makoto als auch Kahei, die beide in der Tradition der Krieger erzogen worden waren, mich irgendwann verachten würden.
    »Wir alle haben uns aus freiem Willen dazu entschlossen, Sie zu unterstützen, Takeo«, fuhr der Abt fort, »auf Grund Ihrer Treue zu Shigeru und weil wir daran glauben, dass Ihr Handeln rechtmäßig ist.«
    Ich verneigte mich, als Anerkennung seines Tadels und zum Gelöbnis, dass er nie mehr in dieser Art mit mir würde sprechen müssen. 
    »Übermorgen werden wir nach Maruyama aufbrechen.«
    »Makoto wird Sie begleiten«, sagte der Abt. »Wie Sie wissen, ist Ihre Sache inzwischen auch die seine.«
    Makotos Mundwinkel hoben sich unmerklich, als er zustimmend nickte.

    Später in der Nacht, als ich mich etwa zur zweiten Hälfte der Stunde der Ratte gerade an Kaedes Seite legen wollte, hörte ich von draußen Stimmen und kurz darauf rief Manami uns leise zu, dass ein Mönch mit einer Nachricht vom Torhaus da sei.
    »Wir haben einen Gefangenen gemacht«, berichtete er, als ich zu ihm hinunterging. »Man hat ihn entdeckt, als er in den Büschen unterhalb des Tores herumschlich. Die Wachtposten haben ihn aufgespürt und wollten ihn auf der Stelle töten, aber er rief Ihren Namen und behauptete einer von Ihnen zu sein.«
    »Ich rede mit ihm«, sagte ich und griff vorsorglich nach Jato, obwohl ich bereits ahnte, dass es nur Jo-An, der Ausgestoßene, sein konnte. Er war mir in Yamagata
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