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Der Gipfel

Der Gipfel

Titel: Der Gipfel
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston DeWalt
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team profiliert hatten. Sie bewegten sich auch weiterhin relativ leicht und verkrafteten die Höhe problemlos. Und ihr Ehrgeiz, auf den Gipfel zu kommen, war ungebrochen. Beim Abstieg stellten wir einen weiteren Leistungsabfall der übrigen Teammitglieder fest, während unsere drei Top-Leute den direkten Abstieg von Lager III zum Basislager ohne erkennbare Schwierigkeiten meisterten. Die drei waren Misirin Serjan, einunddreißig, Asmujiono Prajurit, fünfund zwanzig, und Iwan Setiawan Letnan, neunundzwanzig. In Anbetracht der ständig nachlassenden Sherpa-Mithilfe und der unterschiedlichen körperlichen Verfassung und Leistung der Mannschaft waren Bashkirov, Vinogradski und ich entschlossen, den Gipfel mit einem Dreier-Team und drei Sherpas in Angriff zu nehmen und alle gesunden und einsatzfähigen Sherpas als Unterstützung heranzuziehen.
    Wir kehrten am 9. April für eine Ruhewoche ins Basislager zu rück. Da ich nach wie vor überzeugt bin, daß sich vor einem Gipfel vorstoß eine Erholungsphase in niedrigerer Höhe sehr günstig auswirkt, ließ ich die Teammitglieder für eine zusätzliche Woche zum Walddorf Deboche auf 3770 Meter absteigen. Nichts wirkt sich positiver auf die menschliche Psyche aus als das Grün dichter Wäl der und sauerstoffreiche Luft. Hier entgeht man der Routine des Basislagers, und nach drei Wochen harten Trainings in Eis und Ödland lechzen Körper und Geist nach Erholung.
    Unserem militärischen Verbindungsoffizier Captain Rochadi schärfte ich ein, daß wir für die Ausstattung von Lager V zwei Zelte, zehn Flaschen Sauerstoff, Schlafsäcke und Matten benötigten. Ich erwartete, daß er in den sieben Tagen unserer Abwesenheit mit Apa und den Sherpas den Transport bewerkstelligen würde. Nun waren aber acht der sechzehn Sherpas nicht einsatzfähig, und Apa, obwohl menschlich und von seiner Leistung her außergewöhnlich, war allein nicht imstande, die für den Erfolg der Expedition nötige Arbeit zu bewältigen. Seine bisherigen Erfahrungen hatte er als Mitglied anderer, starker Sherpa-Teams gesammelt, und nun hatte er Leute seiner Wahl für uns einstellen dürfen, viele davon Angehörige oder Freunde, die die erforderliche Leistung nicht bringen konnten. So stand uns am Ende nur die Hälfte der angeworbenen Sherpas zur Verfügung. Dieser Schwachpunkt in der Organisation und die ungenügende Kontrolle der Situation durch die indonesische Teamleitung stellten eine ständige Gefährdung für den Gipfelvorstoß wie auch für unsere ausgeklügelten Notfallpläne dar.
    Ich möchte niemandem die Schuld an dieser Situation zuweisen. Von anderen Expeditionen her weiß ich, daß es jahrelanger Ausbildung und ständiger finanzieller Unterstützung bedarf, um ein Sherpa-Team heranzuziehen, das dank seiner ausgewogenen Stärke und Befähigung eine echte Hilfe sein kann.
    Wir hatten nun die Wahl, uns zusammen mit den anderen Expe ditionen der Reihe nach anzustellen oder als erste aufzusteigen und freie Bahn zu haben. Nach den Erfahrungen des letzten Jahres hatte ich nicht die Absicht, für eine Katastrophe Schlange zu stehen. Es genügt vollauf, wenn man sich mit eigenen Fehlern und Unzuläng lichkeiten herumschlagen muß, auf jene der anderen kann man verzichten. Die Misere mit unseren Sherpas fand eine, wenn auch nicht optimale Lösung. Apa war unermüdlich an der Arbeit und leistete selbst mehr, als er von anderen forderte.
    In Deboche ließ ich mein Team für fünf Tage allein und flog zur Zahnbehandlung nach Kathmandu. Die Jahre fordern von uns allen ihren Tribut, und mich belastete so manches: persönliche Erinnerungen, die mich verfolgten, die Sorge, ob ich nach meinem Unfall wieder voll einsatzfähig sein würde, und jetzt noch zu allem Überfluß ein Zahnproblem. Für meine Kraftreserven waren das höchst unerfreuliche Aderlässe.
    Besonders der Ausflug nach Kathmandu stellte eine ungewollte Unterbrechung meiner Konzentration dar. Da ich dummerweise meine Nationalpark-Genehmigung vergessen hatte, mußte ich mich nachts aus dem Sagarmatha National Park davonstehlen, um in Lukla den Hubschrauber zu erwischen. In Kathmandu hatte ich das Glück, daß der Zahnarzt der amerikanischen Botschaft meine Behandlung übernahm. Ihm schulde ich Dank für die rasche Beseiti gung meines Problems.
    Das Team traf ausgeruht und einsatzfähig am 21. April im Basislager ein, wo wir uns zu einer Gebets- und Bittzeremonie versammelten. Gott ist den Indonesiern stets gegenwärtig, ähnlich wie den Sherpas, die dem
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