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Der Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag

Titel: Der Gesellschaftsvertrag
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Entschädigung, ohne Gegenleistung nicht die Nichtigkeit des Übereinkommens nach sich? Denn welches Recht könnte mein Sklave gegen mich geltend machen, da alles, was er besitzt, mir gehört, und dadurch, daß sein Recht das meinige ist, dieses mein Recht wider mich selbst ein Wort ist, das keinen Sinn hat.
    Grotius und andere folgerten aus dem Kriege eine andere Quelle des angeblichen Rechtes der Sklaverei. Da nach ihnen der Sieger das Recht besitze, den Besiegten zu töten, dürfte letzterer sein Leben auf Kosten seiner Freiheit erkaufen, ein Vertrag, der um so rechtmäßiger sei, da er beiden Vorteil bringe.
    Aber es liegt auf der Hand, daß dieses vermeintliche Recht, die Besiegten zu töten, in keinerlei Weise aus dem Kriegsstande hervorgeht. Schon aus dem einzigen Grunde, daß die Menschen, solange sie in ihrer ursprünglichen Unabhängigkeit leben, unter sich in keiner Beziehung stehen, die von derartiger Dauer ist, weder den Friedens- noch den Kriegszustand herbeizuführen, sind sie von Natur nicht Feinde. Das Verhältnis der Dinge und nicht das der Menschen zueinander ruft den Krieg hervor; und da der Kriegsstand nicht aus einfachen persönlichen Beziehungen, sondern lediglich aus sachlichen Beziehungen entstehen kann, so ist weder im Naturzustand, in dem es kein beständiges Eigentum gibt, noch im Gesellschaftszustand, in dem alles unter der Gewalt der Gesetze steht, der Privatkrieg oder der Kampf von Mann gegen Mann möglich.
    Privatkämpfe, Duelle, zufällig herbeigeführte Zweikämpfe sind Handlungen, die keinen besonderen Zustand begründen, und was die durch die Einrichtungen König Ludwigs IX. von Frankreich gestatteten und durch den Gottesfrieden aufgehobenen Privatfehden anlangt, so sind es Mißbräuche der Feudalregierung, des sinnlosesten Systems, das es je gegeben hat und das den Grundsätzen des Naturrechts und einer jeden gesunden Politik völlig widerspricht.
    Der Krieg ist demnach kein Verhältnis eines Menschen zum andern, sondern das Verhältnis eines Staates zum andern, bei dem die einzelnen nur zufällig Feinde sind, und zwar nicht als Menschen, ja nicht einmal als Bürger, [Fußnote: Die Römer, die das Kriegsrecht verstanden und mehr als irgendein Volk auf Erden geachtet haben, trieben in dieser Beziehung die Gewissenhaftigkeit so weit, daß es einem Bürger nicht gestattet war, als Freiwilliger zu dienen, wenn er sich nicht ausdrücklich verpflichtet hatte, gegen den Feind und namentlich einen bestimmt angegebenen Feind zu streiten. Als eine Legion, in der Cato, der Sohn, unter Popilius seinen ersten Waffendienst getan, entlassen worden war, schrieb Cato, der Vater, dem Popilius, wenn er wünschte, daß sein Sohn unter ihm weiter diente, so müßte er ihn von neuem vereidigen, da der erste Eid ungültig geworden und sein Sohn aus diesem Grunde nicht mehr die Waffen gegen den Feind führen dürfte. Und seinen Sohn forderte Cato auf, sich ernstlich zu hüten und sich vor Ablegung des neuen Eides nicht an dem Kampfe zu beteiligen. Ich kann mir denken, daß man mir die Belagerung von Clusium und andere besondere Fälle entgegenhalten wird; aber ich berufe mich nur auf Gesetz und Brauch. Unter allen Völkern haben die Römer ihre Gesetze am seltensten übertreten, und sie sind das einzige Volk, das so schöne Gesetze hatte.] sondern als Soldaten, nicht als Glieder des Vaterlandes, sondern als seine Verteidiger. Kurz, jeder Staat kann nur andere Staaten zu Feinden haben und nicht Menschen, da man zwischen Dingen von verschiedener Natur kein wirkliches Verhältnis zueinander nachweisen kann.
    Dieses Prinzip ist denn auch mit den eingeführten Grundsätzen aller Zeiten und mit der unwandelbaren Handlungsweise aller gesitteten Völker in vollem Einklang. Die Kriegserklärungen sind Kampfansagen, die weniger an die Mächte, als an die Untertanen gerichtet sind. Der Fremde, der, ob er nun König, Privatmann oder ein ganzes Volk sei, ohne vorher ergangene Kriegserklärung an den Fürsten dessen Untertanen beraubt, tötet oder gefangenhält, ist nicht ein Feind, sondern ein Räuber. Sogar mitten im Kriege bemächtigt sich ein gerechter Fürst im Feindeslande wohl alles Staatseigentums, aber er verschont die Person und das Vermögen der einzelnen, er achtet Rechte, auf die die seinigen gegründet sind. Da der Zweck des Krieges die Vernichtung des feindlichen Staates ist, so hat man das Recht, die Verteidiger desselben zu töten, solange sie die Waffen in der Hand haben; sobald sie sie jedoch
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