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Der Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag

Titel: Der Gesellschaftsvertrag
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Gesellschaftsvertrag sofort einen geistigen Gesamtkörper, dessen Mitglieder aus sämtlichen Stimmabgebenden bestehen, und der durch ebendiesen Akt seine Einheit, sein gemeinsames Ich, sein Leben und seinen Willen erhält. Diese öffentliche Person, die sich auf solche Weise aus der Vereinigung aller übrigen bildet, wurde ehemals Stadt [Fußnote: Der wahre Sinn dieses Wortes hat sich in der Neuzeit fast ganz verwischt. Die Stadt im ursprünglichen Sinn ist in Wirklichkeit ein Stadtstaat und nicht eine umwallte Ansammlung von Häusern. Das ist eine nur allzu häufige Verwechslung. Die Häuser bilden die Stadt, aber die Bürger den Stadtstaat im griechischen Sinne. Dieser Irrtum kam seinerzeit den Karthagern teuer zu stehen. Soviel ich weiß, hat man die Untertanen eines Fürsten niemals cives genannt. Diese Bezeichnung führten in alter Zeit weder die Mazedonier, noch jetzt die Engländer, die doch von allen Völkern der Freiheit am nächsten sind. Allein die Franzosen nennen sich vertraulich Staatsbürger, citoyens, weil sie keine richtige Vorstellung von der Bedeutung dieses Wortes haben, wie man ihren Wörterbüchern entnehmen kann; sonst würden sie mit dem Gebrauch dieser Bezeichnung ein Majestätsverbrechen begehen. Das Wort hat bei ihnen moralische, aber nicht staatsrechtliche Bedeutung. Auch Bodin hat mit der Verwechslung der Wörter Staatsbürger (citoyen) und Bürger (bourgeois) Fehler gemacht. Nur d'Alembert hat sich nicht irreführen lassen und unterscheidet in seinem Artikel »Genf« vortrefflich die vier Stände – fünf sogar, wenn man die Fremden hinzurechnet –, die unsere Stadt bewohnen, und von denen nur zwei die Republik ausmachen. Kein anderer französischer Schriftsteller hat meines Wissens den wahren Sinn des Wortes Staatsbürger verstanden.] genannt und heißt jetzt Republik oder Staatskörper. Im passiven Zustand wird er von seinen Mitgliedern Staat, im aktiven Zustand Oberhaupt, im Vergleich mit anderen seiner Art, Macht genannt. Die Gesellschaftsgenossen führen als Gesamtheit den Namen Volk und nennen sich einzeln als Teilhaber der höchsten Gewalt Staatsbürger und im Hinblick auf den Gehorsam, den sie den Staatsgesetzen schuldig sind, Untertanen. Aber diese Ausdrücke gehen oft ineinander über und werden miteinander verwechselt; es genügt, sie unterscheiden zu können, wenn sie in ihrer eigentlichen Bedeutung gebraucht werden.

7. Kapitel
Vom Staatsoberhaupt
    Aus jener Formel erkennt man, daß der Gesellschaftsvertrag eine gegenseitige Verpflichtung zwischen dem Gemeinwesen und den einzelnen in sich schließt, und daß sich jeder einzelne, da er gleichsam mit sich selbst einen Vertrag abschließt, doppelt verpflichtet sieht, und zwar als Glied des Staatsoberhauptes gegen die einzelnen und als Glied des Staates gegen das Staatsoberhaupt. Hier darf man jedoch den Grundsatz des bürgerlichen Rechtes, daß niemand an gegen sich selbst eingegangene Verpflichtungen gebunden sei, nicht in Anwendung bringen, denn es ist ein großer Unterschied zwischen einer Verpflichtung gegen sich selbst und einer Verpflichtung gegen ein Ganzes, von dem man einen Teil bildet.
    Man muß ferner beachten, daß der öffentliche Beschluß, der allen Untertanen Verpflichtungen gegen das Staatsoberhaupt aufzulegen vermag, und zwar infolge des doppelten Verhältnisses, unter welchem jeder von ihnen betrachtet werden muß, aus entgegengesetztem Grunde das Staatsoberhaupt nicht gegen sich selbst verpflichten kann, und daß es folglich gegen die Natur des Staatskörpers ist, wenn sich das Staatsoberhaupt ein Gesetz auferlegt, das es nicht brechen kann. Da es sich immer nur in einem und demselben Verhältnisse betrachten kann, so befindet es sich dann in dem Falle eines Privatmannes, der mit sich selber einen Vertrag abschließt; hieraus geht klar hervor, daß es für den Volkskörper keinerlei Art eines bindenden Grundgesetzes gibt noch geben kann; nicht einmal der Gesellschaftsvertrag reicht dazu aus. Das soll jedoch nicht heißen, daß sich dieser Körper nicht in allen Stücken, durch die jener Vertrag nicht verletzt wird, gegen einen andern verbindlich machen könne; denn dem Fremden gegenüber wird er wieder ein einfaches, einzelnes Wesen.
    Da aber der Staatskörper oder das Staatsoberhaupt sein Dasein nur aus der Heiligkeit des Vertrages schöpft, kann es sich gegen einen andern nie selbst zu etwas verpflichten, was eine Zuwiderhandlung gegen diesen Urvertrag hervorbringen würde, wie etwa zur Veräußerung
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