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Der Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag

Titel: Der Gesellschaftsvertrag
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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nutzloserweise, und der katholische König brauchte nur mit einem Male von dem ganzen Weltall Besitz zu ergreifen, sobald er nur hinterher von seinem Reiche alles ausschlösse, was schon vorher von anderen Fürsten in Besitz genommen war.
    Es ist leicht begreiflich, wie die vereinigten und aneinandergrenzenden Ländereien der einzelnen Staatsgebiet werden, und wie das Recht der Oberherrlichkeit, indem es sich auf das von den Untertanen besetzte Gebiet ausdehnt, zugleich dinglich und persönlich wird, was die Besitzer in eine größere Abhängigkeit versetzt und ihre Kräfte selbst zu Bürgen ihrer Treue macht. Hierin liegt ein Vorteil, für den die Monarchen in früheren Zeiten kein Verständnis gehabt zu haben scheinen. Sie nannten sich nur Könige der Perser, der Skythen, der Mazedonier und schienen sich deshalb weit mehr für Oberhäupter der Menschen als für Herren des Landes zu halten. Heutigentags nennen sie sich viel geschickter Könige von Frankreich, von Spanien, von England usw., und indem sie auf solche Weise das Land in Besitz nehmen, haben sie auch die vollkommene Sicherheit, die Bewohner in Besitz zu behalten.
    Das Sonderbare bei dieser Veräußerung liegt darin, daß das Gemeinwesen durch Übernahme der Güter der einzelnen diese nicht etwa ihrer Besitzungen beraubt, sondern ihnen gerade erst den rechtmäßigen Besitz dieser Güter in Wahrheit sichert, die Usurpation in ein wahres Recht und den Genuß in Eigentum verwandelt. Da die Besitzer jetzt als Verwahrer des Staatsgutes betrachtet, ihre Rechte von allen Gliedern des Staates geachtet und durch seine ganze Macht dem Fremden gegenüber behauptet werden: so haben sie durch eine Abtretung, die dem Gemeinwesen und in einem noch weit höheren Grade ihnen selbst vorteilhaft ist, alles, was sie hingaben, gleichsam wiedergenommen, ein Paradoxon, das sich durch die Unterscheidung der Rechte, die das Staatsoberhaupt und der Eigentümer auf das gleiche Grundstück haben, wie man später sehen wird, leicht erklärt.
    Möglich ist auch, daß sich die Menschen zu vereinigen beginnen, ehe sie etwas besitzen, und dann, wenn sie sich später eines für alle ausreichenden Gebietes bemächtigen, es gemeinschaftlich benutzen oder unter sich teilen, sei es zu gleichen Teilen oder nach bestimmten, vom Staatsoberhaupte festgesetzten Verhältnissen. Auf welche Weise sich jedoch die Erwerbung vollziehen möge, stets ist das Recht, welches jeder einzelne auf sein besonderes Grundstück besitzt, dem Rechte, das dem Gemeinwesen auf alle zusteht, untergeordnet, sonst würde es der gesellschaftlichen Vereinigung an Festigkeit und der oberherrlichen Wirksamkeit an wahrer Kraft fehlen.
    Ich schließe dieses Kapitel und dieses Buch mit einer Bemerkung, die jedem gesellschaftlichen Plane als Grundlage dienen muß: der Grundvertrag hebt nicht etwa die natürliche Gleichheit auf, sondern setzt im Gegenteil an die Stelle der physischen Ungleichheit, die die Natur unter den Menschen hätte hervorrufen können, eine sittliche und gesetzliche Gleichheit, so daß die Menschen, wenn sie auch an körperlicher und geistiger Kraft ungleich sein können, durch Übereinkunft und Recht alle gleich werden [Fußnote: Unter schlechten Regierungen ist diese Gleichheit nur scheinbar und trügerisch; sie dient nur dazu, den Armen in seinem Elend und den Reichen in seinem widerrechtlich erlangten Besitz zu erhalten. In Wahrheit sind die Gesetze immer nur für diejenigen wohltätig, die etwas besitzen, und den Besitzlosen schädlich, woraus folgt, daß den Menschen der gesellschaftliche Zustand nur solange vorteilhaft ist, als jeder etwas und keiner zuviel hat.]

Zweites Buch
1. Kapitel
Die Staatshoheit ist unveräußerlich
    Die erste und wichtigste Schlußfolge aus den bis jetzt aufgestellten Grundsätzen ist die, daß der allgemeine Wille allein die Kräfte des Staates dem Zwecke seiner Einrichtung gemäß, der in dem Gemeinwohl besteht, leiten kann; denn wenn der Gegensatz der Privatinteressen die Errichtung der Gesellschaften nötig gemacht hat, so hat sie doch erst die Übereinstimmung der gleichen Interessen ermöglicht. Das Gemeinsame in diesen verschiedenen Interessen bildet das gesellschaftliche Band; und gäbe es nicht irgendeinen Punkt, in dem alle Interessen übereinstimmen, so könnte keine Gesellschaft bestehen. Einzig und allein nach diesem gemeinsamen Interesse muß die Gesellschaft regiert werden.
    Ich behaupte also, daß die Staatshoheit, die nichts anderes als die Ausübung des
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