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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn
Autoren: Birgit Fiolka
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hatte. Es war ein stechender Geruch, den sie nicht zuzuordnen vermochte. Obwohl dieser Geruch sie irritierte, dachte Neaira nicht weiter über ihn nach. Alles war gut, solange Metaneira nur unbeschadet zurückkehrte.
    Metaneira schob sie sanft von sich und zog die Bänder aus den Haaren. „Kommst du mit mir zum Louterion und hilfst mir?“
    Neaira sprang vom Schlafpolster auf und nickte eifrig.
    Die vage und immer mehr verblassende Erinnerung an die Waschtage mit ihrer Mutter kam ihr in den Sinn und versprach eine erfreuliche Abwechslung im täglichen Einerlei.
    Als Metaneira an das Louterion im Badehaus trat, blieb die erhoffte gute Stimmung jedoch aus. Stattdessen schickte Metaneira sie, die Sklaven von ihren Schlafmatten aufzuscheuchen, damit sie Wasser brachten. Müde und mit verquollenen Augen tappten die Knaben immer wieder zum Brunnen, um Wasser für Metaneira zu holen. Ihre Mienen ließen keinen Zweifel daran, dass Metaneiras Waschhysterie sie ärgerte. Auch Neaira wunderte sich.
    Metaneira mochte überhaupt nicht mehr aufhören, ihren Körper zu schrubben. Obwohl die weiße Farbe längst von ihrem Gesicht gewaschen war, schien es nicht genug Wasser zu sein, das die Sklaven über ihr ausgossen. Erst als Neaira laut gähnte, schien Metaneira sich zu besinnen.
    Müde kehrten sie in ihre Unterkunft zurück. Neaira war froh, noch eine Weile schlafen zu können, bevor der Hof erwachte. Als sie jedoch wie gewohnt zu Metaneira auf die Schlafkline klettern wollte, wehrte die Freundin ab. „Nicht heute, Neaira. Ich bin jeglicher Berührung müde.“
    Enttäuscht rollte sich Neaira auf ihrer eigenen Matte zusammen und zerbrach sich den Kopf darüber, was Nikarete und Idras ihrer Freundin wohl angetan hatten.
    Hatte Metaneira mit den Satyrn auf dem Hof getanzt? War sie deshalb so seltsam? Neaira schauderte bei dem Gedanken - sie mussten endlich fliehen, bevor es zu spät war.

2. Kapitel
    Spuren im Sand
    Langsam aber sicher schien Metaneira ihre alte Gelassenheit zurückzugewinnen, was Neaira beruhigte.
    Anfangs packte sie noch Angst, sobald Idras kam, um Metaneira zu holen. Nach Metaneiras Rückkehr am frühen Morgen suchte diese stets das Louterion auf, um sich zu waschen. Neaira glaubte ihre Freundin verloren zu haben – das was von Metaneira übrig war, hatte nichts mehr mit dem Mädchen zu tun, das Neaira kennengelernt hatte.
    Dann, im zweiten Mondumlauf, entwickelte Metaneira eine gewisse Gleichgültigkeit und folgte Idras ohne Furcht, wenn sie kam, um sie zu holen. Nach einem halben Jahreswechsel war es für Metaneira zur Gewohnheit geworden sich zu schmücken, und sie wies Neaira auch nicht mehr ab, wenn sie nachts zu ihr auf das Lager kletterte. Aus Angst vor den schrecklichen Dingen, die Metaneira ihr vielleicht erzählen könnte, fragte Neaira sie nicht, was in den Nächten geschah, in denen Idras sie ins Haus von Nikarete brachte. Sie hatte rasende Angst davor, dass man sie von Metaneira trennte und sie in diesem Haus alleine blieb.
    Die verschiedenen Gerüche, die an Metaneira hafteten, nahm Neaira bald nicht mehr wahr. Auch Metaneira schienen sie gleichgültig, sodass sie ihren Besuch im Badehaus bis zum Mittag aufschob, wenn sie ausgeschlafen hatte. Metaneira wurde mittlerweile nicht mehr zu Nikarete gerufen, um Unterweisungen von ihr zu erhalten. Neaira dankte Aphrodite dafür.
    Das Leben auf dem Hof verlief in eigentümlicher Langeweile, unterbrochen nur von Stratolas bösen Blicken, mit denen sie Metaneira bedachte. „Sie neidet mir meine bessere Stellung“, erklärte die Freundin Neaira dann. Noch immer konnte sich Neaira nichts unter den wenigen Erklärungen vorstellen, die Metaneira ihr zuteilwerden ließ.
    Neaira lebte seit einem Jahr in Nikaretes Haus, ging Metaneira zur Hand, was bedeutete, dass sie tagsüber faul in der Sonne lag und der Freundin abends half sich zu schmücken, als sich im gleichtönigen Tagesablauf eine unverhoffte Abwechslung einzustellen schien, die ihr auch ihre Fluchtpläne wieder ins Gedächtnis rief. Idras stand eines Morgens überraschend auf ihrer Türschwelle. „Heute besuchen wir die Agora. Die Herrin braucht neue Tücher und Bänder. Nimm die kleine Mänade mit, damit sie die Einkäufe tragen kann“, befahl sie Metaneira.
    Neaira, die ruhig in einer Ecke gesessen hatte, sprang auf und warf sich Metaneira in die Arme, sobald die schwarze Sklavin fort war. Gemeinsam drehten sie sich im Kreis und freuten sich über den Ausflug. „Endlich kommen wir aus diesem
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