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Der Gesang des Blutes

Der Gesang des Blutes

Titel: Der Gesang des Blutes
Autoren: Andreas Winkelmann
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gern mit Pommes, einem kleinen Salat und einem großen Bier.»
    Paul nickte, notierte und sah dann Sven an.
    «Ich nehme das Gleiche.»
    Beide warteten, bis er außer Hörweite war.
    «Was weiß ich nicht?»
    Sven lehnte sich nach hinten und sah Robert lange an. «Das ist das erste Mal, dass ich jemanden so etwas sagen muss. Ich würd’s nicht tun, wenn ich nicht wüsste, wie sehr du ihn gehasst hast.»
    «Wen?»
    Sven sagte nichts, starrte ihn einfach nur an. Es gab nicht viele Menschen, die Robert mit Hass in Verbindung brachte. Einen Namen spuckte sein Verstand aber sofort aus.
    «Eric?»
    Jetzt nickte Sven und beugte sich vor. «Er ist tot.»
    Während ihres Schweigens hörten sie Pauls Frau in der Küche die Steaks klopfen.
    «Wiederhol das bitte noch mal», verlangte Robert.
    «Eric ist tot. Er hat mit einem Kumpel zusammen ’ne Bank gemacht. Die Bullen waren so schnell wie selten, haben die beiden draußen abgefangen. War ’ne echt wilde Sache. Wenn du Zeitung lesen würdest, wüsstest du davon.»
    In Roberts Kopf tobte es, und es dauerte ein Weilchen, ehe sich alle Informationen zu einem Bild zusammenfügen ließen.
    «Eric hat eine Bank überfallen und wurde erschossen? Ist es das, was du mir sagen willst?»
    Sven nickte.
    «Wann?»
    «Gestern Vormittag. Die Schalterhalle hatte gerade geöffnet. Nach allem, was man so hört, müssen die beiden zugekifft gewesen sein. Haben von Anfang an um sich geschossen. In der Bank hat es einen Kunden erwischt. Mann, ich verstehe das nicht. Alle Sender haben den ganzen Tag darüber berichtet. Was hast du gestern gemacht? Geschlafen?»
    Robert starrte in den Dunst seiner Zigarette. Was hatte er gestern gemacht? Geschlafen sicher nicht, aber er war auch nicht wirklich in dieser Welt gewesen. Wenn er sich auf einen Coup vorbereitete, blendete er alles um sich herum aus. So war es auch gestern wieder gewesen. Dem Tag, an dem sein Bruder gestorben war. Außerirdische hätten auf der Erde landen können, und er hätte es nicht mitbekommen.
    Sein Leben für meins, schoss es Robert durch den Kopf. Er wusste nicht, was er mit dem Gedanken anfangen sollte. Für einen Moment wusste er nicht mal, was er sagen sollte. Eric war tot. Die Welt würde ihn nicht vermissen – und er sicher auch nicht.
    Er hatte Eric nie verstanden. Schon damals nicht, als sie noch Kinder waren. Manchmal hatte Eric Dinge getan, auf die ein normal denkender Mensch in tausend Jahren nicht kommen würde. Einmal waren sie im Spätsommer zusammen im Park gewesen, dort, wo es die ausgedehnten Feuchtwiesen und Seen gab. Wie alt mochten sie damals gewesen sein? Zehn, höchstens zwölf. Eric hatte drei Strohhalme aus dem Bund seiner Hose gezogen, schief gegrinst und «Frösche aufblasen» gesagt. Dann war er mit einer Plastiktüte auf die Jagd gegangen und hatte tatsächlich eine hässliche, glitschige Kröte gefangen. Mit seinen bloßen Händen hielt er sie fest, das eine Ende des Strohhalms schob er irgendwo hinten rein. Er blies die Kröte auf, bis sie aussah wie ein grüner Luftballon, und setzte sie auf dem Boden ab. Sie konnte nicht davonhüpfen, so angeschwollen war ihr Leib. Eric tanzte wie Rumpelstilzchen ums Feuer ein paarmal um sie herum, dann trat er wuchtig drauf. Mit einem lauten «Puff» zerplatzte die Kröte, ihre Gedärme spritzten mehrere Meter weit. So etwas hatte Eric andauernd getan: sinnloses, bescheuertes Zeug.
    «Bist du in Ordnung, Mann?»
    Robert drückte den Rest seiner Zigarette aus und nickte. «Natürlich. Ich musste nur an die Vergangenheit denken. An unsere Jugend.»
    «Tut mir leid, ich dachte …»
    «Nein nein, schon in Ordnung. Ich hab immer damit gerechnet, dass es ihn auf diese Art erwischt. Er war eigentlich zu blöd für solche Jobs.»
    Der Wirt kam an ihren Tisch und servierte die Biere. Robert fragte ihn nach der Zeitung von gestern. Der Wirt sagte, dass er nachsehen würde, und verschwand. Keine zwei Minuten später kam er mit einer ordentlich zusammengelegten Abendzeitung. Robert faltete sie auseinander. Suchen musste er nicht. Der Bericht war Aufmacher der ersten Seite. Die großen roten Buchstaben trieften förmlich vor Blut.
    Zwei Täter hatten am frühen Morgen des gestrigen Tages die SA -WestBank überfallen, einen Angestellten verletzt und einen Kunden getötet. In einem Feuergefecht mit der Polizei war einer der Täter umgekommen, der andere befand sich mit dem gestohlenen Geld auf der Flucht. Von ihm kannte man nicht mal die Identität.
    In der oberen linken
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