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Der Geruch von Blut Thriller

Titel: Der Geruch von Blut Thriller
Autoren: Tom Piccirilli
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versucht, sie im Fitnessstudio zu verbrennen. Bis auf ein Stechen in der Schulter ist er fitter denn je. Wenn er mit den Gewichten fertig ist, rennt er zwanzig Minuten auf dem Laufband. In seiner Erschöpfung denkt er nur selten an Dani oder Roz, dafür an Vi. Er denkt immer noch jeden Tag an sie, als irgendetwas zwischen seiner Tochter und seiner Geliebten. Der Typ im Korridor redet immer weiter und lacht leise vor sich hin, dieser verdammte Spinner. Die Ohrringe bimmeln. Er hat Blut an den Zähnen. Und als die Psychiaterin sagt: Die Zeit ist um, denkt Finn: Richtig, ich muss jetzt Ray töten.

I m Frühzug nach Ossining sitzen Rechtsanwälte, Wachleute, verkrampfte Verwandte und wütende Ehefrauen mit ihren weinenden Kindern, die ihren Knastvätern noch nie auch nur die Hand gegeben haben. Die Stimmung ist angenehm hoffnungslos.
    Finns Aufmerksamkeit wandert von einem Sitz zum anderen, einmal längs durch den Wagen hört er den Gesprächen zu. Was er mitbekommt, ist entweder ergreifend, verletzend oder langweilig. »Ich hab ihm gesagt, er soll es sein lassen. Ich hab es ihm gesagt!«, hört er eine Frau murren. Vielleicht redet sie mit sich selbst, mit einer Freundin oder irgendjemandem, der ihr zuhört. Sie spuckt und schlägt mit der Hand auf den Sitz neben ihr. Ein Kind läuft durch den Gang, fliegt auf die Nase und schürft sich das Knie auf. Es brüllt so laut wie eine Polizeisirene auf der Sixth Avenue.
    Die Metro-North fährt direkt durch das Gefängnis, vorbei an den überdachten Schießtürmen und dem verlassenen Todeshaus. Finn war bisher nur einmal in Sing-Sing gewesen, als er in einem Mordfall einem Hinweis nachging, der nirgendwohin führte.
    Der Vordereingang befindet sich am Ende einer von Bäumen gesäumten, schattigen Wohnstraße. Dahinter leben mehr als zweitausend Menschen unter vierundzwanzigstündiger Überwachung auf fünfzig Morgen Zement und Stahl in hangargroßen Zellenblöcken.

    Finn steigt mit den anderen Passagieren aus. Niemand hilft ihm aus dem Zug. Er folgt der Menge bis zum Kontrollpunkt, wo alle die Ausweise herausholen. Wenn ihn seine Erinnerung nicht trügt, steht hier irgendwo eine Bank. Er schwingt den Stock, läuft eine Minute herum, findet sie und setzt sich.
    Die kühle Luft ist erfrischend. Er glaubt nicht, dass er jemals wieder Kälte empfinden wird.
    Ein Stunde vergeht, Wind kommt auf. Finn bewegt sich nicht. Seine Gedanken wärmen ihn.
    Als das Eingangstor sich öffnet, hört er ein merkwürdiges Schlurfen. Ray hinkt viel stärker als früher. Er zieht das Bein stark nach. Seine Prothese hat nach fünf Jahren einigen Verschleiß erlebt und müsste neu angepasst werden.
    Dann Gelächter. Ein vertrautes Geräusch, Finn lächelt. Er steht auf und wartet auf Ray.
    Als Ray vor ihm steht, sieht er Ray. Und er sieht sich selbst. Und seinen Schatten. Sein Kopf ist voller Bilder. Das seltsame Gefühl, nicht mehr blind zu sein, überkommt ihn.
    Jeder hat das Recht, den Outlaw zu spielen, solange er sich nicht beschwert, wenn er erwischt wird.
    »Hey, na«, sagt Ray. »Himmel, ist das kalt. Dachte ich mir doch, dass du kommen würdest.«
    »Ach ja?«, fragt Finn. »Warum?«
    »So bist du nun mal.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Du bist also hier, um mich zu töten?«
    Das sagt er ihm einfach so ins Gesicht. Genauso cool wie immer.
    »Würde dich das überraschen?«

    »Nein«, sagt Ray. »Bist du bewaffnet?«
    »Ich habe ein Taschenmesser.«
    »Du hast also nicht vor, mir ein Loch in den Kopf zu schießen?«
    Eine Sache lässt Finn keine Ruhe. »Wie viel hast du beiseitegeschafft? Ich frage mich nur, in welcher Größenordnung sich das bewegt, wenn man bedenkt, was der Preis war.« Er schätzt, dass es mindestens eine halbe Million ist.
    »Wir sollten uns nicht mit so etwas aufhalten. Es ist genug.«
    »Warum hast du dann Roz um die neun Riesen betrogen?«
    »Willst du noch lange dumme Fragen stellen?«
    Das hat Finn nicht vor. »Du warst bestimmt überrascht, dass Carlyle mich nicht umgelegt hat.« Das ist keine Frage.
    »Eigentlich dachte ich, du würdest stattdessen ihn umlegen.«
    »Ich habe darüber nachgedacht.«
    »Du denkst über vieles nach, aber du tust nie etwas.«
    Das ist wahr. Selbst als er noch sehen konnte, war er blind und hat Ray immer das Feld überlassen. »Du solltest darüber nachdenken, was du schuldig bist.«
    »Was ich schuldig bin?«
    »Ganz genau.«
    »Was meinst du damit?«
    Finn sagt: »Du musst deine Angelegenheiten in Ordnung bringen.«
    »Meine
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