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Der Geruch von Blut Thriller

Titel: Der Geruch von Blut Thriller
Autoren: Tom Piccirilli
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Leiden und zweifelhaften Werte teilen, Samstagabend-Bowler, die wollen, dass ihre Töchter mal
einen Mann heiraten, der etwas Besseres ist als sie. Sie brüllen und hupen sich gegenseitig an, bevor sie davonfahren.
    Endlich schafft es Jesse, das Fenster zu schließen. Sie pfeift durch die Zähne, als sie ihre Wunde sieht. Er hört, wie sie sich nervös hin und her dreht und nicht weiß, was sie als Nächstes tun und wie sie die Blutung stillen soll. Ein leises mädchenhaftes Geräusch dringt aus ihrem Mund.
    Finn streckt die Hand nach der Tafel aus und hält sich fest. Mit dem Geruch kommt die Wut, wie jedes Mal droht sie ihn zu übermannen. Die linke Hand umklammert den Griff seines Gehstocks. So sind schon einige in die Brüche gegangen. In seinen Händen ist noch Kraft.
    Die Dunkelheit wird wieder lebendig, vor seinen Augen spult sich ab, was die Ermittler »den Vorfall« genannt haben. Er ist in seinem angeknacksten Schädel gefangen und spürt, wie der stechende Schmerz in ihm nachhallt. Es dauert einen Augenblick, bis er sich zusammenreißen und erinnern kann, wo und wer er jetzt ist.
    Ich bin der Stein in der Nacht, denkt Finn. Ich zerbreche nicht.
    »Zeig das mal Schwester Martell, Jesse«, sagt er mit einem natürlichen, lockeren Lächeln, das alles und nichts sagt. Er greift in die Hosentasche und holt ein Taschentuch raus. »Hier, nimm das. Sie ist doch noch in ihrem Büro, oder?«
    Er weiß, dass sie noch da ist. Sonst hätte er ihren Wagen gehört. Roz Martell fährt einen klapprigen 58er Comet, der inzwischen zweimal den Kilometerzähler umrundet hat. Der Motorblock hat schon drei Brände hinter sich, und der Wagen qualmt, dass Finn die Ölrückstände
in der Luft wie einen Schleier auf der Haut spürt. Wenn sie Gas gibt, knattern die Fehlzündungen wie ein Maschinengewehr, und die Mädchen fangen an zu kichern. Damals in der Stadt hat sie damit ganze Gangs von der Straße gejagt.
    »Ich glaube, ja«, sagt Jesse. Mit einem schnellen Griff schnappt sie sich das Taschentuch. »Woher wussten Sie, dass ich mich verletzt habe?«, fragt sie mit dem Anflug eines Grinsens in der Stimme.
    Wie die meisten Menschen ist sie beeindruckt von solchen Kunststücken. Es ist einer der Gründe, weswegen sie ein bisschen verknallt in ihn ist. Es erhebt ihn über das pure Mitleid und macht ihn fast attraktiv. Manchmal wollen die Mädchen ihn in den Arm nehmen, so wie man Babys hätschelt oder einen Liliputaner hochhebt.
    Er schwingt den Gehstock und klopft auf den Stapel Bücher auf seinem Schreibtisch. »Vergiss nicht den Kerouac, den Robbins und den Vonnegut.«
    »Danke, dass Sie sie mir leihen, Mr. Finn.«
    »Kein Problem.«
    »Ich pass drauf auf.«
    »Ich weiß.«
    »Sie gehen immer so gut mit Ihren Büchern um. Keine gebrochenen Buchrücken und nirgends ein einziges Eselsohr. Manche Mädchen sind so fies, die spucken in der Hausaufgabenstunde zwischen die Seiten. Das ist echt supereklig. Ihre sehen immer aus wie neu.«
    Auch wenn sie Recht hat, Jesse merkt nicht, dass ihre Bemerkung absurd ist. Zum Glück. Sie sollte auf keinen Fall Angst haben, in seiner Gegenwart etwas Falsches zu sagen. Es gibt Leute, die können in seiner Gegenwart keinen
Satz mit Ich beginnen, weil sie denken, sie könnten seine Gefühle verletzen.
    Und trotzdem kocht die Wut in ihm, sie will raus, will das Mädchen anschreien, Ich kann verdammt nochmal nicht sehen, was zum Teufel interessieren mich noch Bücher?
    Ein Blinder, der gut mit seinen Büchern umgeht. Die Bemerkung mag dumm sein, aber die Tatsache selbst ist absurd. Er war mal ein großer Bücherfreund. Er machte sich Gedanken darüber, wie Wörter aussehen und wie Sätze aufgebaut sind. Als er bei der Army war, führte er seine Tagebücher mit fast lyrischem Eifer, bis ihn sein Lieutenant dafür zusammenstauchte. Er lief in jedes Antiquariat in der Stadt und verschreckte mit seinem kreischenden Funkgerät die ganze Umgebung. Das war früher.
    Finn hat vieles hinter sich gelassen, aber es gibt noch einiges, das er nicht aufzugeben wagt. Es macht keinen Sinn, durch seine Lieblingsausgaben zu blättern, auch wenn er noch den Drang dazu verspürt. Sie stehen ungelesen im Regal herum. Sie sind Papier, und er ist Stein.
    Jesse, die sich das ganze Semester über Bücher von ihm geliehen hat, ist eine der wenigen Schülerinnen, die außerhalb der Schule liest. Wahrscheinlich auch eine der wenigen, die für die Schule liest. Sie kommt gerade in die Phase, wo sie sich für Bücher interessiert,
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