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Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0

Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0

Titel: Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0
Autoren: Markus Barth
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mal was fragen? Wie nennen Sie denn das, was vom Apfel übrig bleibt?»
    «Schnüffi», antwortete ich wie aus der Pistole geschossen.
    Das war natürlich gelogen. Der Rest eines Apfels wurde bei uns zu Hause immer weggeschmissen und nie getauft.
    Aber ich ahnte, dass ich der Frau damit eine Freude machen würde, und ich hatte recht.
    «Tatsächlich?», fragte sie aufgeregt. «Ich lese nämlich gerade dieses Buch hier, und seitdem beschäftige ich mich mit sprachlichen Phänomenen.»
    «Das ist ja interessant!», log ich schon zum zweiten Mal. Sprachliche Phänomene liegen auf meiner Liste der interessanten Dinge im Leben ein gutes Stück hinter europäischen Adelshäusern, Olli-Geissen-Sendungen und dem Liebesleben von Lothar Matthäus.
    Wer früher in der Schule Weisheiten wie «Nein, das ist nicht dasselbe, das ist höchstens das Gleiche!» verkündete, galt als Streber und wurde verprügelt. Heute erntet man mit so einem Satz wohlwollendes Lächeln und ein: «Ah, das steht im dritten Band vom Sick, oder?» Früher war besser.
     
    Aber ich wollte ja nur die Frau glücklich machen, und das schien zu klappen: «Bastian Sick hat auch mal so eine Liste mit umgangssprachlichen Bezeichnungen für den Rest eines Apfels gemacht», sagte sie, «aber ich glaube, Schnüffi war nicht dabei!»
    «Na, dann sollten Sie ihm das mal schreiben!», entgegnete ich.
    «Prima Idee!» Sie strahlte mich an und holte einen Notizblock und einen Stift aus ihrer Tasche.
    Ich rückte ein Stück zu ihr: «Schnüffi heißt es übrigens nur bei kleinen Äpfeln. Bei größeren sagen wir Schniez.» Die Frau schrieb fleißig mit.
    «Manchmal sagt man auch Schniezl, aber das ist regional bedingt», fuhr ich fort. «Außerdem kenne ich noch Brumsl, Knarz, Lummel und Spröck.» Ich hob den Finger: «Und aufgepasst bei Birnen! Da heißt es natürlich Röms – aber das wissen Sie ja bestimmt.»
    Die Frau strahlte mich selig an: «Nein, das wusste ich nicht. Danke!» Sie wollte ihren Block gerade wegstecken, da stockte sie kurz. «Darf ich Sie vielleicht noch etwas fragen?» Ich nickte auffordernd.
    «Wie nennen Sie denn den Anschnitt eines Brotes? Kipf? Knust? Oder Knörzl?»
    Ich schüttelte den Kopf: «Günther!»
    Dann diktierte ich ihr noch 48 weitere frei erfundene Spitznamen für Brotanschnitte.
     
    Wenn Sie also demnächst in einer von Bastian Sicks Kolumnen lesen, dass im Unterfränkischen der Anschnitt eines Brotes auch «Frutzl» genannt wird, dann müssen Sie das nicht unbedingt glauben.

[zur Inhaltsübersicht]
ALLERGIE - QUARTETT
    Der moderne Mensch hat mindestens eine Allergie. Irgendetwas braucht man, das einen zum Husten, Niesen und Blau-Anlaufen bringt, sonst gehört man nicht zur Funky Crowd. Ohne Allergie kann man heutzutage eigentlich gar nicht mehr aus dem Haus. Mit Allergie natürlich auch nicht, zumindest wenn man Heuschnupfen hat, aber da muss man eben durch. Am besten ist, man hat irgendwas Ausgefallenes, Pollen kann ja jeder. Ein bisschen crazy sollte es schon sein, Kobalt-Nickel-Ionen vielleicht oder wenigstens eine Glutamat-Unverträglichkeit oder eine exotische Kreuzallergie wie «Apfel/Birke» oder «Physalis/Guave» – irgendwas, das eher nach einer neuen Bionade-Sorte klingt als nach einer Krankheit. Damit hat man auf jeder Party ein Gesprächsthema, kann bei Starbucks nach dem laktosefreien Frappuccino fragen und Dr.-Hauschka-Produkte kaufen, zehn Gramm für tausend Euro, weil: «Was anderes vertrag ich halt nicht.»
    Und ich bin stolz, sagen zu können: Ich war von Anfang an dabei! Was mir bei Musikbands nur selten gelingt, kann ich hier bedenkenlos herauströten: Ich kannte die meisten Allergien schon, bevor sie berühmt wurden. Laktose-Intoleranz 1984 – ich war dabei! Ich hatte keinen Allergiepass, eher eine Allergie-Enzyklopädie: Dieses kleine blaue Heftchen war voller Klebezettel mit den unterschiedlichsten Reizstoffen. Ich hatte mehr von diesen Aufklebern als meine Mitschüler Panini-Bildchen. Hätte es ein Allergie-Quartett gegeben, ich hätte jedes Mal gewonnen. «Chlorhexidin-Sulfat – sticht!» Als viele Allergien noch gar nicht erforscht waren, riefen mich Ärzte aus aller Welt an und fragten: «Kann man eigentlich auf den und den Stoff allergisch sein?» Dann schaute ich in meinem Pass nach und sagte: «Kann man!», die Allergologen hauchten: «Faszinierend!», und legten wieder auf. Es war eine wilde Zeit.
    Na gut, in Wahrheit war sie nicht ganz so wild. Tatsächlich waren Allergien damals noch gar
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