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Der geduldige Tod (German Edition)

Der geduldige Tod (German Edition)

Titel: Der geduldige Tod (German Edition)
Autoren: Helke Böttger
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sich in einer Einfahrt, in der ein Krankenwagen stand.
    Der Mann schob Victoria samt Krankenhausbett in den Wagen, dann verschloss er die Tür. Victoria schrie jetzt sogar, aber niemand reagierte darauf. Sie hörte, wie der Motor angeworfen wurde. Als sie sich aufrichten wollte, fiel ihr Blick auf den Boden des Wagens, wo zwei Männer lagen. Einer von ihnen trug eine Sanitäter-Uniform, der andere war halb ausgezogen.
    Auf einmal wusste Victoria, dass sie definitiv nicht zur Operation geholt worden war. Panik schoss durch ihren Körper. Sie schrie und zerrte an ihren Fesseln, doch ihre Schreie verhallten ungehört, ihr Kampf brachte keinen Erfolg. Irgendwann gab sie auf. Ihr Herz raste, doch sie zwang sich zur Ruhe. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren. Leise summte sie ihre Melodie, bis sich die Ängste herunterkühlten. Ihr Herz klopfte immer noch heftig, hervorgerufen durch das Adrenalin, das durch ihre Adern rauschte. Sie hatte dieses Mal keine Furcht vor Erinnerungen, es war eindeutig Gefahr im Verzug.
    Nach einer Viertelstunde Fahrt hielt der Wagen an, danach öffnete sich die Tür erneut. Ihr Entführer hatte die Verkleidung abgelegt und zog sie aus dem Wagen, wobei er sie mit ernstem Blick ansah.
    »Was willst du, Ronald?«, fragte Victoria und bemühte sich, fest und sicher zu klingen. »Warum tust du das?«
    »Danke, mir geht es gut. Und dir? Hervorragend, wie ich sehen konnte.« Seine Stimme klang bitter.
    »Mir geht es nicht gut. Ich mache mir Sorgen um dich. Sag mir, dass du nicht getan hast, was sie dir vorwerfen.«
    Er schob sie wortlos in eine Bauruine, in deren Einfahrt der Krankenwagen parkte. Das Gebäude sollte eine Villa werden, der imposante Eingang war deutlich zu erkennen. Zwei Etagen waren gebaut, das Untergeschoss sogar unterkellert, doch der Bau wurde mittendrin unterbrochen. Die Wirtschaftskrise hatte den Bauherrn eingeholt. Dort, wo Teakholzmöbel auf weichen Teppichen stehen und elegante Fliesen und edle Farben zum Glücklichsein einladen sollten, wehte der Wind Laub und Dreck durch die mit Plastikplanen verhängten Fenster und Türen. Ein paar Bretter lagen herum, außerdem vergessene Ziegelsteine und ein halber Sack Zement.
    In einem düsteren Raum am nördlichen Ende des Hauses blieb die Liege abrupt stehen.

Im Schatten des Hibiskus
     
     
    Ronald Worschech war sich sicher, das Richtige zu tun. Zeit seines Lebens hatte er versucht, korrekt zu handeln, auch wenn das hin und wieder bedeutete, gegen den Willen anderer zu agieren. Aber manchmal wussten die einfach nicht, was gut für sie war. Wie Victoria. Sie wollte ihn und seine Fürsorge nicht mehr, das hatte sie ihm mit der Scheidung mehr als deutlich gemacht. Dafür wusste er jetzt ganz genau, was das Richtige für ihn war. Er musste ihr eine Lektion erteilen. Was sie ihm angetan hatte, würde er ihr niemals verzeihen, deshalb musste sie spüren, wie ernst es ihm war. Noch nie war ihm etwas so wichtig gewesen wie das. Deshalb hatte er sich größte Mühe gegeben, sie hier auf der Insel aufzustöbern und zu beobachten, was sie trieb, wie es ihr erging. Es wäre vielleicht alles anders gekommen, wenn sie wirklich gelitten hätte, wie sie immer behauptet hatte. Aber das war eine glatte Lüge gewesen. Ihr ging es gut. Sie genoss ihr Leben, nahm sich sogar einen neuen Liebhaber. Und ihren Mann, der so viel für sie geopfert hatte, ließ sie leiden. Sie war selbstsüchtig und verlogen. Deshalb benötigte sie einen Denkzettel.
    »Ronald, sprich mit mir!«, flehte Victoria, die immer noch gefesselt auf dem Bett lag. »Lass mich frei! Was habe ich dir denn getan? Und sag mir endlich: Was hast du angestellt? Sie meinen, du hättest die Frauen getötet, aber ich glaube nicht, dass du das warst. Sag bitte, dass du kein eiskalter Mörder bist.«
    Er stand vor ihr und sah sie an. »Du hast mich einfach verlassen, hast mir weismachen wollen, dass du Abstand bräuchtest, um die Ängste loszuwerden, aber in Wirklichkeit wolltest du nur weg von mir.«
    »Das ist nicht wahr. Du weißt, dass ich an jeder Ecke, die auch nur annähernd wie die aussah, wo der Killer auf mich gewartet hatte, zusammengebrochen bin. Du wolltest mich schon gar nicht mehr aus dem Haus lassen. Erinnerst du dich?«
    »Ich erinnere mich daran, dass du gesagt hast, du müsstest zu dir finden, dass du allein sein wolltest, um das Erlebte verarbeiten zu können. Aber offenbar war das eine Lüge. Du hast sehr schnell jemanden gefunden, der dir die Zeit vertreibt.«
    »Meinst du
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