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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter
Autoren: Megan Whalen Turner
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er nicht zusehen. Die übrigen Gardisten taten es ihm gleich. Costis bekam eine Gänsehaut zwischen den Schulterblättern.
    »Du hältst das Schwert zu niedrig«, sagte Eugenides ruhig, und Costis riss seine Aufmerksamkeit von den Gardesoldaten ringsum los und sah den König an. Eugenides zog eine Augenbraue hoch. Costis musste das Kinn herunterdrücken, um sich davon abzuhalten, angewidert den Kopf zu schütteln. Er war kein sehr begabter Fechter und nicht so erfahren wie die Veteranen um ihn herum, aber er war verdammt noch mal schon längst über die ersten Übungen in der Prim hinaus.
    Eugenides erriet seine Gedanken und lächelte boshaft. Costis biss die Zähne zusammen, richtete sein Schwert neu aus und hielt den Blick starr auf die bestickte Vorderseite der Tunika des Königs gerichtet.
    Der König rührte sich nicht. Costis stand mit ausgestrecktem Schwert da, während der König sein eigenes immer noch unter der Achsel hielt. Costis’ Arm und Schulter begannen zu brennen. Das hölzerne Übungsschwert war beschwert, damit es sich so sehr wie möglich nach einem richtigen Schwert anfühlte, und es war kein Kinderspiel, es weiter ausgestreckt zu halten, während der Augenblick sich in die Länge zog, besonders, da seine Muskeln nach Stunden der Reglosigkeit am Vortag noch steif waren.
    Schließlich ging der König in Position. Er schlug Costis’ Schwert beiseite und führte den Stoß zu Ende, um erst ein kleines Stück vor Costis’ Brustbein Halt zu machen.
    »Noch einmal?«, sagte er.
    Costis begab sich wieder in die Grundhaltung. Und so ging es weiter. Der König verfügte ja vielleicht nicht über die nötigen Fähigkeiten, um Costis in einem Übungskampf die Tracht Prügel zu versetzen, von der alle in der Garde anzunehmen schienen, dass er sie verdient hätte, aber er konnte Übung um Übung beginnen, nur um Costis dann mittendrin stehen zu lassen, so dass er die Muskeln anspannen musste, um seinen Körper reglos zu halten und die Mühe zu verhehlen, die diese Reglosigkeit ihn kostete. Er war entschlossen, sich die Anstrengung nicht anmerken zu lassen. Er konzentrierte sich auf die Schwertspitze, die er vor sich ausgestreckt hielt, und richtete seine Willenskraft darauf, sie stillzuhalten, da schon das kleinste Schwanken seine Anspannung verraten hätte.
    Der König widmete sich nach einem ersten spöttischen Lächeln den Übungen, als gelte ihnen seine ganze Aufmerksamkeit. Seine Konzentration war schlimmer, als der Spott es gewesen war. Wenn er gelacht hätte, hätte Costis zornig sein können, und sein Zorn hätte ihm Kraft verliehen, aber Eugenides war beinahe übernatürlich ruhig, während er einen Schwertstoß führte, zurück in die Ausgangshaltung ging, die Parade schlug, die von einem leisen Klack angezeigt wurde, als die Schwerter aufeinandertrafen, dann wieder den Stoß führte und abermals in die Ausgangshaltung ging. Klack , Stoß, Ausgangshaltung, klack , Stoß, Ausgangshaltung.
    Costis wollte den Kopf zurückwerfen und heulen. Das hier war also der König, den die Götter Attolia geschenkt hatten?
    Am Ende begannen die Männer um sie herum, die Übungen abzubrechen und sich zu entfernen. Costis rechnete bei jeder Wiederholung damit, dass es die letzte sein würde, aber der König schien nichts zu bemerken und sagte nur nach jeder: »Noch einmal?«
    Die anderen Soldaten waren gegangen. Die einzigen Leute
auf der Freifläche zwischen den Palastmauern und den Baracken waren Costis, der König, Teleus und die Kammerherren des Königs, die in der Nähe des Durchgangs herumlungerten. Einer der Kammerherren kam näher. Er war größer als der König, ungefähr so groß wie Costis, kostbar gekleidet und kräftig gebaut.
    »Euer Majestät?«, fragte er in kühlem, arrogantem Ton.
    Eugenides senkte das Schwert und trat von Costis zurück, um sich auf dem leeren Platz umzusehen. Er blickte nach oben und prüfte den Sonnenstand.
    »Wie ich sehe, vergeht der Tag«, sagte er milde. »Danke, Costis.« Er nickte und entließ ihn damit. Costis trat zurück und stolperte beinahe. Der König sah das Stocken und zog eine Augenbraue hoch. Costis bezweifelte nicht, dass sich hinter seiner Besorgnis boshaftes Entzücken verbarg. Er verneigte sich und ging davon. Hinter sich hörte er den König mit Teleus sprechen, aber er lauschte nicht.
    Er ging vom Übungsplatz in den Speisesaal und blieb für einen Augenblick zögernd in der Tür stehen. Niemand begrüßte ihn. Niemand sah ihn auch nur an. Er schaute sich
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