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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Ziebula
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erleben muss«, jammerte der alte Gaukler. »Dass ich das erleben muss …«
    »Hör endlich auf zu heulen, du Schwachkopf!«, schluchzte die Landgräfin und schlug mit ihrem tränennassen Schnupftuch nach ihrem Mann. »Du solltest ihn trösten, und jetzt muss er dich trösten! Lächerlich!«
    »Lasst ihn, Königliche Hoheit, lasst ihn doch! Es ist schön, zu merken, dass man geliebt ward.« Und wieder an Stephans Adresse: »Ich habe ein kurzes, aber ein gutes Leben gehabt, mein geliebter Ziehvater, und das verdanke ich dir. Und nun ist es eben zu Ende. Ich habe fast alle Städte des Reiches gesehen, ich habe die Leute in Rom und Venedig und Paris zum Lachen gebracht. Zuletzt sogar vor den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg gespielt. Ich habe eine wunderbare Frau geliebt. Es war kein langes, aber ein gutes Leben, das kannst du mir wirklich glauben. Das Leben ist mir lieb gewesen, es hat mich mit Gutem überschüttet. Warum jetzt klagen und weinen?« David küsste ihn auf die Stirn. »Lieber stehe ich nun wie von einem fetten Gastmahl auf und gehe gesättigt und mit erhobenem Haupt meinen letzten Weg.«
    Stephan wischte sich die Tränen ab. »Ja, ja«, seufzte er, »ist ja gut, ist ja gut …« Sie drückten einander ein letztes Mal. Im Fortgehen strich David dem Bären noch einmal über den Schädelpelz. Dann zogen die Waffenknechte ihn mit sich zum Marktplatz, wo der Henker wartete; und das Volk von Stralsund, das den letzten Auftritt des Komödianten sehen wollte, des ehemaligen Gauklers.
    Stephan und die Landgräfin zur Wagenburg sahen ihm hinterher. Bela brummte, blökte und riss an seiner Kette. Der alte Gaukler hatte Mühe, ihn festzuhalten. »Dass er so enden muss«, jammerte er, »dass er so enden muss …«
    »Gib endlich Ruhe! Hast du nicht gehört, was er gesagt hat?« Marianne wischte ihrem Gaukler die Tränen aus dem Gesicht. »Das Leben habe ihn mit Gutem überschüttet, hat er gesagt. Wie von einem fetten Gastmahl gesättigt stehe er auf, um seinen letzten Weg zu gehen.« Sie schluchzte. »Hast du es nicht gehört?«
    »Doch, doch …« Stephan küsste seiner Landgräfin die Tränen von den zerfurchten Wangen. »Doch, ich hab’s gehört.«

N ACHWORT
    Seit 1585 bis etwa 1632 wanderten englische Komödianten durch die Niederlande und das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, vereinzelt auch noch nach dem Westfälischen Frieden, 1648. Auf ihren barocken, von Pferdegespannen gezogenen »Wohnmobilen« – nach dem griechischen Tragödiendichter »Thespiskarren« genannt – fuhr bald so mancher Holländer und Deutsche mit. Überall, wo die englischen Wandertheater ihre Bühnen aufbauten und ihre Stücke spielten, hinterließen sie bleibenden Eindruck. Ihre Figur des Pickelherings wurde ähnlich beliebt und berühmt wie in unseren Tagen die Micky Maus oder Harry Potter.
    David Villachers persönliche Entwicklung vom schlichten Gaukler zu einem Schauspieler vom Schlage Christopher Greenleys spiegelt eine kulturelle Entwicklung im Deutschland der frühen Neuzeit wider: Vereinzelt schon während des »Großen Krieges«, in größerer Zahl dann bald nach seinem Ende betraten Männer die Wanderbühnen, die mehr sein wollten als nur Gaukler und mehr zu bieten hatten als Zoten, Saltos und Tanzbären – in Deutschland entstand die Berufsschauspielerei. Das verdanken wir dem Einfluss der von Shakespeare und dem elisabethanischen Theater geprägten Wanderkomödianten aus England.
    Ihnen ein Denkmal zu setzen war ein Ziel meiner Erzählung.
    Um etwas über Männer wie den Grafen Tilly, den Kurfürsten Friedrich V. oder den Herzog von Friedland, Albrecht von Wallenstein, zu erfahren, konnte ich unter Hunderten Büchern auswählen. In kaum zwei Dutzend Werken fand ich Konkreteres über die englischen Wandertheater des Frühbarocks – dabei haben sie uns Shakespeare und die Schauspielkunst aufs Festland gebracht, während die europäischen Generäle und Kriegsherren jener Zeitsich nur durch die Produktion von Ruinen, Asche, menschlichen Wracks und Leichenbergen in unser historisches Gedächtnis eingeätzt haben.
    Was gibt es nun in diesen wenigen Werken über meinen verehrten Prinzipal Christopher Greenley zu lesen? Viel und gar nichts.
    Gar nichts, denn ein Mann dieses Namens hat meines Wissens niemals gelebt. Man kann ihn also, streng genommen, nicht als »historische Persönlichkeit« bezeichnen.
    Viel, denn tatsächlich sind zahlreiche Prinzipale historisch belegt, die damals mit ihren Wandertheatern
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