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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Ziebula
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Und sah er recht? Tränen standen dem Dr. Kramer in den Augen. Und konnte es wahr sein? Der Henker schniefte sich. Hannes glaubte zu träumen. Er blickte zu Susanna: Die saß mit tief gesenktem Kopf und hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen.
    Der Richter dankte dem Prediger und sprach sie frei.
    An der Seite des Geistlichen verließen sie das Gebäude. »Danke«, hörte Hannes Susanna dem Prediger zuraunen, als sie über einen kleinen Platz schritten. Vor der Einmündung einer Gasse warteten zwei Frauen mit John. Der riss sich los, jubelte undheulte zugleich, rannte ihnen entgegen und warf sich in Susannas Arme.
    »Ich habe das Kind aus dem Waisenhaus geholt«, sagte der Prediger, diesmal mit tieferer Stimme. Er nahm den Jungen auf den Arm und herzte ihn. »Zur Stadtmauer«, raunte er ganz ohne niederländischen Akzent. »Nehmt das Kind und geht voraus. Beeilt euch.« Und jetzt erst begriff Hannes …
    *
    Sie liefen auf das Kniepertor im Nordwesten der Stadt zu. Es stand offen, Menschen gingen ein und aus, viele schwedische Soldaten wachten dort. Man erkannte sie an der einfachen und beinahe einheitlichen Kleidung.
    Würdevoll schritt David hinter Hannes und Susanna her. Er schwitzte unter seiner respektablen Haartracht. Das machte ihm nichts aus, der Schmerz in seiner Brust jedoch, der quälte ihn mächtig. Es kostete ihn seine ganze Kraft, nach allen Seiten zu lächeln und so huldvoll zu grüßen, als würde er segnen.
    Keine hundert Schritte trennten sie mehr von Mauer und Tor. Das stand offen. Unruhe entstand in der Menge an der Mauer. Jemand schrie und jemand sprang zur Seite wie unter großem Schrecken. »Geht schon«, raunte David. Er ahnte etwas. »Geht einfach weiter und dann schnell durchs Tor.«
    Hannes hakte sich bei Susanna unter und beschleunigte seinen Schritt. Der Junge sah David über Susannas Schulter hinweg aus seinen großen dunkelblauen Augen an. David rang sich ein Lächeln ab, und ein Zwinkern und ein Winken. War er nicht ein famoser Gaukler?
    Ein großes dunkelbraunes Etwas löste sich aus der Menge bei der Mauer, rannte los, blökte, galoppierte, schleifte eine Kette hinter sich her. Ein Bär. David erkannte ihn sofort. Und dass es keinen Sinn hatte zu fliehen, erkannte er auch. »Leb wohl!«, riefer. Susanna drehte sich noch einmal um, und sie sahen einander in die Augen. Diese dunkelblauen Augen! Diese geliebten Augen! Wie hatte er sie nur zum Weinen bringen können!
    Der Bär richtete sich vor ihm auf den Hinterläufen auf, legte ihm die Vorderpranken auf die Schultern, verdeckte den Blick auf Susanna. Als würde er lachen, so brummte und blökte er, als würde er laut heulen vor Freude. Kein klarer Gedanke wollte David mehr gelingen – vor lauter Freude, vor lauter Schmerz, vor lauter Verwirrung. Er hatte keine Gaukler in der Stadt gesehen, keinen Zahnbrecher seine Dienste anpreisen hören.
    »Geht schon!«, rief David und versuchte Hannes ins Gesicht zu sehen, der wohl zögerte. »Und sorge für meinen Sohn!« Das Kind begann nach ihm zu rufen. Susanna drückte es an sich, packte Hannes bei der Hand und zog ihn mit sich. Zum Stadttor.
    Der Bär stieß David die Schnauze gegen die Stirn, leckte über seine Nase, brummte, rieb seine Kehle über den Menschenscheitel und die Tatzen an den Menschenschultern. Davids falscher Bart rutschte ihm vom Kinn, die Perücke vom Kopf, seine langen schwarzen Locken fielen ihm über Rücken und Brust.
    Unter den Waffenknechten tuschelten sie und guckten. »Das ist doch der Komödiant«, hörte David einen sagen. Er blickte zum Stadttor. Dort eilten Susanna und Hannes mit dem Jungen an den Wachen vorbei.
    Der Bär legte wieder die Pranken auf seine Schultern, und ein paar Atemzüge lang bohrte David seine Stirn gegen die breite, pelzige Brust und hielt einfach nur still. »Das ist doch kein reformierter Prediger!«, rief einer. »Das ist doch der wegen Unzucht und Giftmord gesuchte Komödiant! Der Pickelhering!« Die Stimmen tönten lauter und rauer, und ein Feldwebel kommandierte einen Hellebardisten herbei, um dem Bären seine Klinge in den Pelz zu treiben.
    »Nein.« David stellte sich schützend vor Bela. »Nicht doch, Ihr Herren – es ist ein zahmer Bär, ein guter Tänzer. Tut ihm bloßnichts zuleide, ich flehe euch an!« Zwei Landsknechte packten ihn und rissen ihn zu Boden.
    Doch da war Stephan schon zur Stelle. Er griff nach Belas Kette, zog ihn zu sich, erklärte den Waffenknechten, dass sie eben erst in die Stadt gekommen seien, sein
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