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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman
Autoren: Richard Laymon
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leuchteten die Bremslichter auf und verstärkten das rote Leuchten des Hecks. Ohne zu blinken, bog der Wagen rechts ab und fuhr auf die Unterführung zu.
    Ein Stück vor Neal richtete sich Elise auf Händen und Knien auf.
    In dieser Position verbarg das Hemd weniger als im Stehen. Viel weniger. Neal erhaschte einen Blick auf die blasse Rundung ihrer Hinterbacken, den dunklen Spalt dazwischen, die Rückseite ihrer Beine. Mit schlechtem Gewissen wandte er sich schnell ab.
    Er sah, wie das Auto in der Unterführung verschwand.
    Als er sich wieder nach vorn drehte, sprang Elise auf. Der Saum des Hemds rutschte herunter und bedeckte ihren Hintern.
    Neal stand auf und lief ihr hinterher.
    Er sah, wie sie über die Bahnschienen sprang. Wie sie durch das Loch im Maschendrahtzaun schlüpfte. Wie sie sich an der Seite des Lieferwagens duckte.
    Ein paar Sekunden später hockte er ihr gegenüber.
    Sie schnappten beide nach Luft. Sein Herz hämmerte wild.
    »Was sollen wir … mit dem Wagen machen?«, fragte Elise.
    »Was ist da drin? Irgendwas von dir?«
    »Blut, Schweiß, was weiß ich.«
    »Kleidung?«
    »Nein.«
    »Schmuck? Deine Handtasche?«
    »Nichts.«
    »Fingerabdrücke?«
    »Meine Hände waren hinter den Rücken gebunden. Ich lag auf einer Matratze.«
    »Was ist noch in dem Wagen?«
    »Ich weiß nicht. Es war dunkel. Sollen wir ihn wegfahren? Wir könnten ihn ein paar Kilometer weiter abstellen oder so.«
    »Wir haben den Schlüssel nicht mitgenommen.«
    Elise schwieg einen Moment. Neal hörte, wie sie schnaufend atmete. Dann sagte sie: »Einer von uns könnte zurückgehen und ihn holen.«
    »Das wird ein Spaß.«
    »Ja. Freiwillige vor.«
    Neal stellte sich vor, wie er den ganzen Weg zurückrannte, in die Dunkelheit der Bäume eintauchte, sich zur Leiche schlich, in den buschigen Hügel griff, blind umhertastete, eine Hand in die Tasche der Lederhose des Toten schob. Ganz allein.
    Und wenn er doch nicht tot war?
    Und wenn er doch tot war – eine Leiche?
    Ich bin allein in der Dunkelheit und stecke meine Hand in die Hosentasche einer Leiche.
    Und während ich mit dieser angenehmen Aufgabe beschäftig bin, wartet Elise hier schutzlos auf mich. Gott allein weiß, wer da alles vorbeikommt …
    Sie könnte in meinem Auto warten.
    Auch nicht viel besser.
    Neal hatte nicht vor, sie den Schlüssel holen zu lassen, während er hier wartete. Ehe es so weit käme, würde er gehen.
    »Wir könnten zusammen gehen«, schlug Elise vor.
    »Ich finde, wir sollten den Wagen einfach hier stehen lassen. Selbst wenn wir den Schlüssel hätten … Je weniger wir mit dem Auto zu tun haben, desto besser. Man kann nie wissen. Wenn wir damit irgendwo hinfahren, provozieren wir nur weitere Schwierigkeiten. Jemand könnte uns sehen. Wir könnten von der Polizei angehalten werden. Wir müssten uns Sorgen wegen unserer Fingerabdrücke machen. Und wegen Blut und Haaren. Das können wir uns ersparen. Der Wagen fällt nicht besonders auf. Er könnte vermutlich eine Woche hier stehen, ohne dass jemand auch nur einen Gedanken darauf verschwendet.«
    »Wahrscheinlich hast du recht.«
    »Außerdem«, sagte Neal, »könnte sich etwas Belastendes für den Mann dort drin befinden. Das wäre gut für uns, falls sie uns doch erwischen.«
    »Okay. Also lassen wir ihn hier?«
    »Spricht nichts dagegen. Ich fahre dich in meinem Auto nach Hause. Warte einen Augenblick. Ich hole es.«
    Neal ließ Elise hinter dem Lieferwagen zurück und eilte zu seinem Auto. Er riss die Tür auf. Die Innenbeleuchtung ging an. Er sprang hinter das Lenkrad und schwang die Tür zu, schnell, aber leise. Es wurde wieder dunkel im Inneren.
    Er griff nach oben, entfernte die Plastikabdeckung der Innenleuchte und drehte die Glühbirne aus der Fassung. Nachdem er die Abdeckung und das Lämpchen auf den Beifahrersitz geworfen hatte, fischte er den Schlüsselbund aus der Tasche. Im Dunkeln suchte er nach dem Zündschlüssel, fand ihn, schob ihn ins Schloss und drehte ihn. Der Motor sprang an.
    Ohne die Scheinwerfer einzuschalten, setzte er zurück bis zur Schnauze des Lieferwagens. Er hielt an und legte den Vorwärtsgang ein. Mit dem Fuß auf der Bremse rief er aus dem Fenster: »Steig hinten ein. Aber lass den Kopf unten.«
    Im Seitenspiegel beobachtete er, wie Elise geduckt zum Wagen lief und die Tür öffnete. Sie stieg ein und zog sie vorsichtig wieder zu.
    Neal fuhr los.
    Er ließ die Scheinwerfer ausgeschaltet.

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    Nachdem er an der Kreuzung rechts abgebogen war, schaltete er das
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