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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman
Autoren: Richard Laymon
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hattest gar nichts bei dir?«
    »Nein.«
    »Auch keinen Schmuck? Ohrringe? So was in der Art?«
    »Nein.«
    »Okay, gut. Hast du irgendwas hier angefasst?«
    »Nur das Seil, glaub ich.«
    »Das ist kein Problem. Ich schätze nicht, dass sie davon anständige Fingerabdrücke nehmen können. Was ist mit ihm? Hast du ihn berührt? Seine Hose?«
    »Mit den Händen?«
    »Ja. Sie ist aus Leder. Genau wie die Handschuhe. Könnten deine Abdrücke darauf sein?«
    »Kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Gab es keinen Kampf?«, fragte Neal.
    »Er hat mich von hinten geschnappt«, erklärte sie. »Ganz plötzlich hatte ich seinen Arm um den Hals. Er hat mich von den Füßen gehoben. Ich hatte keine Chance, mich zu wehren. Das Nächste, was ich mitbekommen habe, war, dass ich mit hinter dem Rücken gefesselten Händen hinten in seinem Lieferwagen lag.«
    »Okay. Gut.«
    »Gut?«
    »Ich meinte nur, es ist gut, dass wir uns wegen der Hose und der Handschuhe keine Sorgen machen müssen. Außerdem, falls du doch irgendwelche Abdrücke hinterlassen hast, wurden sie durch das ganze Zeug, das du auf ihn geworfen hast, wahrscheinlich ziemlich verwischt.« Stirnrunzelnd betrachtete er den rechteckigen buschigen Hügel.
    »Was ist?«, fragte Elise.
    »Ich überlege nur, ob wir nicht doch die Sachen mitnehmen sollten, nur um auf Nummer sicher zu gehen.«
    »Welche Sachen? Seine Hose?«
    »Und die Handschuhe.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Du könntest seine Hose anziehen«, sagte Neal.
    »Auf keinen Fall. Es ist schon widerlich genug, seine Schuhe zu tragen. Wenn du auch nur in Erwägung ziehst, dass ich … vergiss es. Nicht seine Hose. Lass uns einfach verschwinden.« Sie nahm Neals Hand und zog ihn an ihre Seite.
    »Bist du sicher, dass du nichts zurückgelassen hast?«
    »Ja.«
    »Hattest du keine Handtasche oder …«
    »Nein, keine Handtasche. Ein bisschen Blut. Davon hab ich etwas zurückgelassen. Und Schweiß und Tränen.«
    »Damit können sie deine Identität nicht feststellen.«
    »Was ist mit DNS und solchen Sachen?«
    »Man könnte sie dir zuordnen, aber zuerst müssten sie wissen, wer du bist. Solche Tests würden erst durchgeführt, wenn sie dich verhaftet und angeklagt hätten.«
    »Du scheinst dich gut auszukennen mit … Polizeiarbeit und so.«
    Er zuckte mit den Schultern. »So gut auch wieder nicht. Ich sehe mir viele Filme an, lese viele Bücher. Gucke mir Prozesse im Fernsehen an. Das ist alles.«
    Ehe sie unter den Bäumen hervortraten, blieben sie stehen und ließen den Blick über das Feld, die angrenzenden Straßen, die Bürgersteige und Gärten schweifen. Sie sahen niemanden. Ein paar Lichter auf den Veranden. Ein paar beleuchtete Fenster. Aber keine Scheinwerfer.
    Elise gab Neals Hand frei und lief los. Es war eher ein zügiger Dauerlauf als ein Sprint. Neal nahm an, dass sie wegen der zu großen Schuhe Angst hatte, schneller zu rennen.
    Er lief neben ihr her.
    Zuerst hätte er beinahe gesagt, sie solle nicht rennen. Wir machen uns verdächtig. Aber ihm wurde klar, dass das ein dummes Argument war. Sie waren zu dieser Nachtzeit dort nahe dem Niemandsland so fehl am Platze, dass sie wohl kaum zusätzliche Aufmerksamkeit erregten, indem sie rannten.
    Es war besser, sich zu beeilen und so schnell wie möglich die Straße zu erreichen. Dort würden sie viel weniger auffallen.
    Bloß, dass sie nichts anhat außer meinem Hemd.
    Und die Schuhe eines toten Mannes.
    Er sah sich in alle Richtungen um. So weit, so gut. Immer noch niemand in Sicht. Immer noch keine Autos.
    Das heißt nicht, dass wir nicht beobachtet werden.
    Egal, sagte er sich. Bei diesem Licht müsste ihnen jemand direkt gegenüberstehen, um sie wiederzuerkennen.
    Ein Häuserblock weiter links wurde die Straße plötzlich von den Scheinwerfern eines Autos erhellt, das sich der Kreuzung näherte. »Pass auf«, keuchte Neal. Einen Augenblick später tauchten die Scheinwerfer auf. Ohne zu blinken, bog der Wagen nach links ab.
    Elise warf sich zu Boden. Neal ebenfalls.
    Sie lagen beide flach auf dem Bauch, ehe die Scheinwerfer sie erfassten.
    Neal hielt den Kopf gesenkt, während das grelle Licht über ihn hinwegstrich. Reglos lauschte er dem Motor des Wagens. Ein gleichmäßiges Rauschen.
    Was, wenn es ein Polizeiwagen ist?
    Was, wenn er anhält und die Polizisten aussteigen?
    Die Gedanken wühlten ihn auf.
    Doch das Auto fuhr weiter. Als das Motorgeräusch leiser wurde, hob Neal den Kopf. Nur ein normaler Personenwagen. Vor dem Stoppschild an der Ecke
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