Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman
Autoren: Richard Laymon
Vom Netzwerk:
hatte. Ich glaube, sie rechnen alle damit, dass er eines Tages mal mit einem Messer bei mir vorbeikommt.«
    »Aber das war er nicht, oder?«
    »Nein. Nein, nein. Es war ein Fremder.«
    »Hat dein Exmann ihn vielleicht geschickt?«
    Es dauerte eine Weile, bis sie antwortete. »Ich bezweifle es. Ich glaube, der Mann hat mich rein zufällig ausgewählt. Vielleicht hat er mich heute beim Einkaufen oder so gesehen und ist mir nach Hause gefolgt.«
    »Möglich. Aber wenn er doch von deinem Ex angeheuert wurde, könnte die Angelegenheit noch nicht zu Ende sein.«
    »Was dagegen, wenn ich mich jetzt aufsetze?«, fragte sie.
    »Es könnte seltsam aussehen, wenn der Beifahrersitz leer ist und du hinten sitzt.«
    »Halt an, dann komm ich nach vorn. Es wird aussehen, als wären wir ein Paar auf dem Heimweg.«
    »Ich weiß nicht. Du hast noch nicht mal eine Hose an.«
    »Halt irgendwo an, wo es dunkel ist.«
    »Hm … gut.« Er wünschte, sie würde hinten bleiben, wo sie niemand sehen konnte. Doch er wollte nicht mit ihr streiten.
    Wenn ich Marta jemals davon erzähle, dachte er, ist Elise von Kopf bis Fuß angezogen.
    Besser, ich erzähle ihr nichts.
    Ich habe die Wohnung heute Nacht nicht verlassen.
    Klasse. Fang an, sie zu belügen.
    Er bog in eine schmale Straße mit Häusern auf beiden Seiten, fand einen dunklen Platz und fuhr an den Bordstein. Er schaltete die Scheinwerfer aus. »Okay.«
    Ehe Elise die Beifahrertür öffnete, nahm Neal die Glühbirne und die Lampenabdeckung vom Sitz und verstaute sie in der Mittelkonsole.
    Elise setzte sich und schloss die Tür.
    Neal wendete. Auf dem Weg zum Venice Boulevard schaltete er das Licht an.
    »So ist es viel besser«, sagte Elise. Sie legte den Sicherheitsgurt an. »Mir hat es da hinten nicht gefallen. Es fühlte sich an, als wäre ich wieder eine Gefangene.«
    Neal bog auf den Boulevard, und Licht fiel in den Wagen. Er wandte den Blick nicht von der Straße. »Im Handschuhfach sind Stadtpläne.«
    »Ich kenn den Weg.«
    »Nein, ich meinte … du würdest vielleicht einen benutzen wollen.«
    »Ich kenn mich hier aus.«
    Er sah sie an. Sie lächelte, und Neal wurde bewusst, dass er sie zum ersten Mal in halbwegs vernünftigem Licht sah. Sie hatte Dreck und Blut im Gesicht. Schatten verbargen ihre Augen. Aber er konnte sehen, dass sie eine schöne Frau war.
    Ihre Schönheit war nicht streng oder einschüchternd. Es lag eine gewisse Wärme darin. Sanft und anziehend.
    »Ich dachte, du wolltest vielleicht eine Karte rausnehmen und sie … äh … aufklappen.«
    »Ach so.« Sie blickte an sich herab. »Man kann eigentlich nichts sehen.«
    Neal warf einen Blick in ihre Richtung. Sie hatte das lange weite Hemd zugezogen und zwischen ihre Beine geklemmt. Es bildete ein Dreieck, das ihre Scham verbarg, aber die Schenkel kaum bedeckte.
    »Wenn es dir unangenehm ist …«
    »Mir macht es nichts aus.« Neal sah wieder auf die Straße.
    »Tja, es gibt wohl nicht viel, das du von mir noch nicht gesehen hast.«
    Da war es dunkel, dachte er, sprach es aber nicht aus.
    »Schon in Ordnung«, sagte er. »Was hat der Typ eigentlich mit deinen Klamotten gemacht?«
    »Nichts. Ich hatte keine an.«
    »Als er dich geschnappt hat?«
    »Genau. Ich war in meinem Pool.«
    »Ah.«
    »Eigentlich kam ich gerade aus dem Pool, als er mich gepackt hat. Ich war auf dem Weg zum Sprungbrett. Früher war ich Turmspringerin. Das bin ich wohl nach wie vor. Ich meine, ich springe immer noch oft, aber nur zum Spaß.«
    »Hast du an Wettkämpfen teilgenommen?«
    »Allerdings. Damals, vor Urzeiten. Jedenfalls muss er sich irgendwo in der Nähe des Pools versteckt haben. Ich hab ihn nicht mal kommen gehört. Ich bin zum Brett gegangen, und ganz plötzlich hat er mich von hinten um den Hals gepackt. Ich glaub, es war so ein Griff, bei dem die Blutzufuhr abgeschnitten wird, sodass man ohnmächtig wird.«
    »Und du bist in seinem Lieferwagen wieder aufgewacht?«
    »Ja.«
    »Du hast ihn vorher noch nie gesehen?«
    »Ich glaub nicht. Aber wer weiß, was sich unter dem Gestrüpp aus Haar und Bart verbirgt.«
    »Bist du sicher, dass es nicht dein Ex war?«
    »Vince? Nein. Auf keinen Fall.«
    »Ich überlege nur, ob du ein zufälliges Opfer warst oder ob es einen anderen Grund gab.«
    »Ich nehme an, ein zufälliges Opfer. Vermutlich war er einer dieser Irren, von denen man manchmal hört. Leute, die sich daran aufgeilen, andere zu quälen und umzubringen.« Sie sah Neal an und strich mit den Händen ein paarmal über ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher