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Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Titel: Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)
Autoren: Jonathan Lethem
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selbst und den solo gekommenen, hingerissenen Porter, interessiert, aber zu harmlos für ein Raubtier, sowie schließlich Miriams eingeschnapptes Date. Miriams Spontanausschuss, ihre Zelle .
    Vergesst Roses Geheimtreffen, ihre Wohnzimmer, ihre verrauchten Küchen. Heute Abend breitete sich direkt vor ihnen New York aus, ein Bankett, an dem sie nicht zu speisen wagten, und Miriam verstand zum ersten Mal, dass ihre geheimen Kommiekräfte kein Witz waren: Miriam Zimmer verstand an diesem Abend, dass sie eine Menschenführerin war. Nicht allein von Männern, die ihre Kurven ins Sabbern brachten, die über ihren Witz erstaunt waren, von ihren jüdischen Mysterien umgetrieben wurden oder von der Gewandtheit im Umgang mit den irren Systemen der Stadt geblendet waren, den U-Bahn-Linien, der Anlegestelle der Fähre nach Staten Island und ihrer Taubenpopulation, der Bedeutung von Dave’s Egg Cream an der Canal Street, dem Verstehen von Baseball-Loyalitäten, seit Dodgers und Giants nach Kalifornien geflohen waren (nein, man konnte nicht plötzlich zum Yankees-Fan werden, nicht solange Sandy Koufax und Jake Pitler noch lebten), den Tänzen der Affen und Flusspferde auf der Uhr vom Zoo im Central Park, von ihrer spielerischen Leichtigkeit im Umgang mit Negern oder ihrer erschreckenden Fähigkeit, sich auf der Mac-Dougal plötzlich umzudrehen und einen watschelnden, exzentrischen Vetter – wenn die wüssten! – zu grüßen, der aus einem Schachcafé kam, von ihren Anspielungen auf Arkanwissen, von der Durchsichtigkeit, die Symbole wie die graue Gans für sie hatten, sondern von allen. Rose und Sunnyside Gardens überlebt zu haben, diese Vorstadt der Enttäuschungen, hatte Miriam zu einer hehren Gestalt gemacht, zur Repräsentantin der Liga exilierter Könige oder Königinnen. Und als sie das verstand, verstand sie auch sofort, dass jene es sahen, die sie anzog. Jetzt lachte sie laut, und Undenkwürdig schaltete sich wieder mit einem »Was denn?« ein.
    »Passt auf.« Miriams idiotische Lieblings-Barwette, die sie erfahrungsgemäß in keiner Gesellschaft verlieren konnte, gewann hier, wo sie zitternd auf der Brücke standen, neuen Reiz. Sie blickten der Antwort ins Auge und würden sie trotzdem vermasseln. »Ich wette fünf Dollar gegen jeden von euch, dass ihr keine Insel im Staat New York nennen könnt, deren Einwohnerzahl höher ist als die von achtundvierzig der fünfzig Bundesstaaten.«
    »Das ist doch bekloppt«, sagte Adam. »Manhattan natürlich.«
    » Du bist bekloppt. Es ist Long Island. Du schuldest mir fünf Dollar oder deine letzte Zigarette.«
    »Moment mal, wer zählt denn?«, fragte Porter, mischte sich mit seinem noch vollen Päckchen ein und tippte ein Zigarettengrüppchen heraus. Finger schossen vor, und dann verschmolzen die fünf Raucher kurz im körperlichen Vorsatz, drängten sich um Porter, um sein Streichholz gegen den Nachtwind abzuschirmen, und jeder hielt kurz die Zigarrettenspitze in die Flamme. Ladies first, und als das Streichholz zwangsläufig erloschen war, tanzten sie einen Squaredance und gaben mit den Zigarrenspitzen das Feuer weiter. Nachtschichtler schoben sich in der Dunkelheit an ihnen vorbei, die Köpfe gesenkt, blind für die Pracht und das Elend der Stadt, marschierten miefenden Schlafzimmern entgegen. Angst vor Brooklyn: Da konnte einem vieles Angst machen, wusste Miriam, aber nicht das, wovor ihre Begleiter Angst hatten.
    »Mir ist kalt«, sagte Undenkwürdig mürrisch und wollte offenbar zu verstehen geben, dass er sich kaltgestellt fühlte. Miriams Date hatte es aufgegeben, mit Schultern und Ellbogen Miriams Nähe zu suchen, so wie Adam und sein Barnard-Mädchen zueinander drängten, die Schulter des Mädchens unter Adams Tweedjacke, ihr Arm an der Hüfte unter seinem Hemd verschwunden. Schon Undenkwürdigs letzte paar Versuche waren verzagt gewesen, als spürte er, dass die Dinge eine Wende nahmen. Denn hier auf dem Scheitelpunkt der Brücke hatte noch etwas anderes seinen Höhepunkt erreicht: Miriam ging heute Abend in andere Hände über, Porter riss sie mit sich, falls etwas, dassich so fest in Miriams Hand befand, von Porter überhaupt beeinflusst werden konnte. Doch, konnte es. Miriam war schließlich auch bloß ein Mädchen.
    Miriams orange Zigarettenspitze schnellte in der Dunkelheit vor. »Attacke!«
    »Mailer kann mich mal«, sagte ihr Exbegleiter. Als stünde das zur Debatte an Stelle dessen, was er von Miriam nie bekommen würde. »Ich muss morgen früh raus. Ich geh
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