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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos
Autoren: Thomas Finn
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Schneeschauer setzte ein, und er stellte den Kragen seiner Jacke auf.
    »Nosce teipsum. Erkenne dich selbst. Weißt du jetzt, wer du bist, Friedrich?«
    Tobias fuhr überrascht herum und erkannte Gerresheimer, der in einem Wagen am Straßenrand saß und das Fenster heruntergelassen hatte. Er blinzelte ihm zu.
    »Wo … woher wissen Sie das?« stammelte Tobias und starrte den Fechtlehrer entgeistert an.
    Gerresheimer öffnete die Beifahrertür und bedeutete Tobias, einzusteigen und neben ihm Platz zu nehmen. Verwirrt kam dieser der Aufforderung nach.
    »Kettenburg überlebt«, erklärte sein Fechtlehrer und blickte nachdenklich hinüber zu dem Kreis der Schaulustigen, wo nun ein Zinksarg aus dem Geschäft getragen wurde. »Du wirst dich später noch mit ihm unterhalten können.«
    »Wer sind Sie?« Fassungslos starrte Tobias seinen Mentor an.
    »Kettenburgs Zeitreise führte ihn ins Jahr 1988«, fuhr Gerresheimer fort, ohne weiter auf die Frage einzugehen. »Du kannst dir seinen Schock vorstellen, als er das Datum in einer Zeitung erblickte, die er kurz nach seiner Ankunft in einem Abfallkorb fand. Die Teufelsmaschine hatte tatsächlich funktioniert. Allerdings gab es ein Problem. Friedrich hatte die Reise nicht unbeschadet überstanden. Im Gegensatz zu Kettenburg war dem Jungen ja kein Serum injiziert worden.«
    Gerresheimer sah Tobias ernst an. »Tatsächlich warst du nach deiner Ankunft in dem Jahr mehr tot als lebendig. Du erinnerst dich? Die Nebenwirkung, wenn man eine Zeitreise ohne das verflixte Serum antritt. Vor allem aber war dein Erinnerungsvermögen so gut wie ausgelöscht. Kettenburg hat dich daher vor die Treppe der Michaeliskirche gelegt. Dort fand man dich und hat dich später ins Waisenhaus gebracht.«
    Während Tobias Gerresheimer noch immer mit offenem Mund anstarrte, fuhr der Fechtlehrer fort: »Kettenburg hat natürlich versucht, wieder zurück ins Jahr 1842 zu gelangen. Doch die Energie der Maschine war so gut wie aufgebraucht. Er schaffte es nur, sieben Jahre zu überwinden, und strandete im Jahr 1981. Er, ein Mann aus dem 19. Jahrhundert. Also versteckte er die Zeitmaschine und – welche Ironie – meldete sich bei der Polizei mit der gleichen Ausrede, die auch du nach deiner Ankunft im Jahre 1842 gebraucht hast. Er gab vor, unter Amnesie zu leiden und sich an nichts erinnern zu können.
    Kettenburg wurde von Klinik zu Klinik gereicht und lernte in dieser Zeit viel über das heutige Leben. Irgendwann fand er eine Anstellung als Bibliotheksangestellter, der er bis 1988 nachging. Tja, und in diesem Jahr machte er einen überaus erstaunlichen Lotteriegewinn von umgerechnet 2,5 Millionen Euro.«
    »Er kannte die Zahlen, richtig?« platzte es aus Tobias heraus. »Sie standen in der Zeitung aus dem Jahr, die er zuvor aus dem Abfallkorb gefischt hatte.«
    »Exakt«, schmunzelte der Fechtlehrer. »Ich vermute, er hat nur auf diese Möglichkeit gewartet. Danach änderte sich alles. Kettenburg investierte im großen Stil in die Aktien eines kleineren Pharmaunternehmens und wurde in den kommenden Jahren zum bedeutendsten Aktionär der Firma. Auf diese Weise konnte er auf die Forschungsvorhaben Einfluss nehmen.«
    »Natürlich«, murmelte Tobias. »Es ging um das Serum, habe ich recht?«
    »Das zweite Mal ein Volltreffer. Kettenburg besaß schließlich alle notwendigen Unterlagen. Aber niemals hätte er einen Mord begangen, um das Serum herzustellen. Er wollte dem Geheimnis der Flüssigkeit vielmehr mit wissenschaftlichen Methoden auf die Spur kommen. Ein Projekt, das sich über Jahre hinzog und über dem unser Freund ein alter Mann wurde. Du kannst dir vorstellen, wie erstaunt er war, als er feststellte, dass du zu jenem Mann heranwuchst, dem er bereits 1842 begegnet war. Den kleinen Friedrich hatte er nie vergessen, nur dauerte es einige Jahre, bis er herausfand, was mit dir passiert war, seit er dich bei der Kirche abgelegt hatte.«
    »Und wer war der Kerl, der uns da unten umbringen wollte?« fragte Tobias.
    »Kettenburgs Laborchef«, antwortete Gerresheimer und schürzte die Lippen. »Irgend jemanden musste er ja in das Projekt einweihen. Womit er nicht gerechnet hatte, war die Tatsache, dass der Mann seine eigenen Ziele verfolgte.«
    »Das heißt, Kettenburg hat tatsächlich eine Möglichkeit entwickelt, das Serum künstlich herzustellen?«
    »Aber ja!« Gerresheimer grinste in sich hinein. »Sicher brennst du jetzt darauf, wieder ins Jahr 1842 zurückzukehren.«
    Tobias starrte sein Gegenüber noch
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