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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos
Autoren: Thomas Finn
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hinweg.
    »Zu kurz, du Narr!« höhnte der Franzose zum Himmel hinauf.
    Borchert beugte sich aus dem Korb und lächelte breit. »De Anker war nich för Sie!« schrie er. »Sonnern dat hier!«
    In seiner Rechten hielt er die große Champagnerflasche.
    »Veele Grüße ut Ihre Heimoot!« Mit großer Wucht schleuderte er den 39iger Dom Ruinart in die Tiefe, und die Flasche zerplatzte knapp neben dem Arzt. Schaum und Glassplitter sprühten über das Dach. Der Franzose fuhr erschrocken zurück, doch seine Füße fanden auf dem glitschigen Dachgiebel keinen Halt mehr. Verzweifelt ruderte er mit den Armen, schrie und stürzte, sich mehrfach überschlagend, an Tobias vorbei über das Dach hinunter. Kurz darauf war er aus dem Blickfeld verschwunden. Irgendwo weit unten am Fuß des Schloßgebäudes war ein dumpfer Aufprall zu hören.
    De Lagarde war nicht mehr. Erschöpft schloss Tobias die Augen und presste sein Gesicht gegen das Dach.
    Doch es war noch nicht vorbei.

 

Ruhe vor dem Sturm
     
    Bergedorf 1842, 5. Mai,
    2 Minuten nach halb 8 Uhr am Abend
     
    N ein, treten Sie die Reise an! Bitte!« Energisch forderte Justus Lewald Tobias auf, auf der Zeitmaschine Platz zu nehmen. Zitternd drückte er ihm seinen Spazierstock mit dem bronzenen Engel am Griffende in die Hand. »Sie sind jünger als ich. Falls Probleme auftreten, werden Sie gegebenenfalls besser damit fertig. Wir müssen das ganz logisch betrachten. Ganz logisch. In der Stadt herrschen chaotische Zustände.«
    Carolines Vater ließ den Aktivierungshebel, den sie dem toten Franzosen abgenommen hatten, im Armaturenbrett der Zeitmaschine einrasten und faltete die Hände wie zum Gebet. »Alles ist sorgfältigst eingestellt. Wenn Sie den Hebel nach vorn ziehen, dann …«
    »Justus«, seufzte William Lindley, stellte die Laterne auf dem Arbeitstisch ab und legte Lewald beruhigend die Hand auf die Schulter, »der junge Mann ist doch schon einmal mit dieser Maschine gereist.«
    Tobias kratzte sich an seinem Kopfverband und blickte zur Zeitmaschine auf dem Holzblock gegenüber. Genau genommen stimmte das nicht. Er war mit der anderen Maschine gekommen, aber die hatte nach Aussage des Engländers im Kanal Schaden erlitten. Davon abgesehen hatte der Uhrmacher offenbar einige Veränderungen an dem Apparat vorgenommen, die Lindley und Lewald noch nicht ganz durchschauten.
    »Ja, ich weiß«, stammelte Carolines Vater und trat mit tränenfeuchtem Blick zurück. »Ich hoffe nur, er schafft es wirklich, meine Tochter zu retten. Ich meine, wenn wir ehrlich sind, ist das alles doch absurd. Ich meine, vielleicht ist die Maschine noch gar nicht so weit? Vielleicht sollten wir die ganze Apparatur noch einmal Stück für Stück durchgehen. Wenn die Fluktuationspotenzen nicht haargenau mit der Lokationsstruktur übereinstimmt, dann …«
    »Ich rette Caroline, Herr Lewald«, erklärte Tobias mit großem Ernst. »Ich schwöre Ihnen bei meinem eigenen Leben, dass ich sie retten werde. Komme, was da wolle. Ich schlage vor, Sie treten jetzt zurück.«
    Heine und Borchert erhoben sich von ihren Plätzen neben der Außenluke, hinter der die warme Nachtluft in das Turmzimmer strömte. Gespannt sahen sie Tobias an.
    »Eine Frage noch«, murmelte dieser. »Wenn ich die Zeitmaschine jetzt aktiviere, dann müsste ich doch streng genommen in Bergedorf und nicht in Hamburg landen.«
    »Machen Sie sich darüber keine Gedanken«, erklärte der Engländer und fuhr sich mit einem Tuch über die hohe Stirn. Die Aufregung der letzten Stunden hatte auch bei ihm Spuren hinterlassen. »Die Anzeigen rechts vor Ihnen haben durchaus ihren Sinn. Wir können dort die Raum- und Zielkoordinaten innerhalb eines Radius von etwa zehn Kilometern um den Startort einstellen.«
    »Der gravimetrische Transfluktions-Kompaß orientiert sich grob am Magnetfeld der Erde«, fügte Lewald hinzu. »Jedenfalls unserer Theorie gemäß. Wir können also Längen- und Breitengrad des Zielorts bestimmen. Wo Sie dann aber genau herauskommen, können wir Ihnen leider auch nicht sagen.«
    »Irgendwo im Hamburger Stadtgebiet«, versicherte Lindley. »Nach unseren Berechnungen würden sich ähnliche Materialisations-Toleranzen einstellen, auch wenn wir die Zeitmaschine mitten in der Stadt starteten. Mit dieser Unscharfe müssen wir leider leben.«
    Tobias runzelte die Stirn. Diese absurde Technologie wirklich verstehen – das musste er ja gar nicht. Hauptsache, die Zeitreise glückte.
    »Warten Sie.« Borchert räusperte sich. »Worum
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