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Der Fürst des Nebels

Der Fürst des Nebels

Titel: Der Fürst des Nebels
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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fallen. Der Aufprall seines
    Körpers auf dem rostigen Metall trübte sein Bewußtsein für einige Sekunden lang, und ein Anfall von Übelkeit überkam ihn.
»Warum verfolgen Sie Jacob?« stammelte Max. Er mußte versuchen. Zeit für Roland zu gewinnen.
»Geschäft ist Geschäft, Max«, antwortete der Magier. »Ich habe meinen Teil des Vertrags schon erfüllt.«
»Aber was kann das Leben eines Kindes für Sie schon bedeuten?« entgegnete ihm Max. »Außerdem haben Sie sich doch schon gerächt, indem Sie Dr. Fleischmann umgebracht haben, nicht wahr?«
Cains Gesicht erhellte sich, als hätte Max soeben die Frage gestellt, auf die er sehnlichst gewartet hatte, seit sie ihr Zwiegespräch begonnen hatten.
»Wenn man die Schuld eines Darlehens nicht verabredungsgemäß begleicht, muß man Zinsen zahlen. Aber damit hebt man die Schuld nicht auf. Das ist mein Gesetz«, zischte die Stimme des Magiers. »Und so bekomme ich, was ich zum Leben brauche – das Leben von Jacob und das vieler anderer wie er. Weißt du, seit wie vielen Jahren ich schon durch die Welt reise, Max? Weißt du, wie viele Namen ich trug?«
Max schüttelte den Kopf und war für jede Sekunde dankbar, die der Magier verlor, während er mit ihm sprach.
»Sagen Sie es mir«, antwortete er mit dünner Stimme, in die er ängstliche Bewunderung für sein Gegenüber zu legen versuchte.
Cain lächelte strahlend. In diesem Moment geschah, was Max die ganze Zeit über befürchtet hatte. Mitten im Lärm des Unwetters war Rolands Stimme zu hören, die nach Alicia rief. Max und der Magier tauschten einen Blick; beide hatten es gehört. Das Lächeln verschwand von Cains Gesicht, es nahm wieder den finsteren Ausdruck eines hungrigen und blutrünstigen Raubtiers an.
»Ziemlich schlau«, murmelte er.
Max schluckte, er war auf das Schlimmste gefaßt.
Der Magier spreizte seine Hand vor ihm, und Max beobachtete starr vor Schreck, wie jeder einzelne seiner Finger sich in eine lange Nadel verwandelte. Ganz in der Nähe rief Roland wieder nach Alicia. Cain drehte sich um, um hinter seinen Rücken zu schauen, und Max stürzte zur Reling des Schiffes. Doch die Krallen des Magiers schlossen sich um sein Genick und drehten ihn langsam um, bis er dem Nebelfürsten von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand.
»Schade, daß dein Freund nicht einmal halb so geschickt ist wie du. Vielleicht sollte er mehr Umgang mit dir haben. Na, vielleicht ein andermal«, stieß Cain verächtlich zwischen seinen Lippen hervor. »Auf Wiedersehen, Max. Ich hoffe, du hast seit dem letzten Mal tauchen gelernt.«
Mit der Kraft einer Lokomotive schleuderte der Magier Max in die Lüfte, zurück ins Meer Max' Körper beschrieb einen Bogen von mehr als zehn Metern, stürzte auf die Brandung herunter und versank in der eiskalten, starken Meeresströmung. Max kämpfte, um über Wasser zu kommen. Er schlug heftig mit den Armen und Beinen, um der tödlichen Kraft des Sogs zu entrinnen, der ihn in die schwarze, finstere Tiefe ziehen wollte. Blindlings schwimmend fühlte er, daß seine Lungen im Begriff waren zu zerreißen, und endlich tauchte er wenige Meter von den Klippen entfernt auf. Er atmete einen tiefen Zug ein, und während er darum kämpfte, sich über Wasser zu halten, trugen ihn die Wellen langsam bis zum Rand der Felsenwand, wo er sich an einem Vorsprung festhalten konnte. Schließlich gelang es ihm, hinaufzuklettern und sich in Sicherheit zu bringen. Die scharfen Kanten der Felsen zerkratzten seine Haut und rissen neue Wunden in seine Arme und Beine. Doch sein Körper war von der Kälte so steif, daß er den Schmerz kaum spürte. Er bemühte sich, nicht schwach zu werden, und kletterte einige Meter hinauf, bis er auf eine Einbuchtung zwischen den Felsen stieß, die die Brandung nicht erreichte. Erschöpft streckte er sich auf dem harten Stein aus. Vage wurde ihm bewußt, daß er gerade sein Leben gerettet hatte. Aber er konnte es selbst kaum glauben; der Schrecken war noch zu groß.
Kapitel 17
    D ie Tür der Kajüte öffnete sich langsam, und Alicia, zusammengekauert in einem Winkel in der Finsternis, blieb unbeweglich sitzen und hielt den Atem an. Der Schatten des Nebelfürsten fiel über das Innere des Raums, und seine Augen wechselten die Farbe, von Gold zu einem tiefen Rot, feurig wie glühende Kohlen. Cain trat in die Kajüte ein und näherte sich ihr. Alicia bemühte sich, das Zittern zu verbergen, das sie überfallen hatte, und starrte den Besucher mit trotzigem Blick an. Der Magier beantwortete
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