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Der Fürst der Skorpione

Der Fürst der Skorpione

Titel: Der Fürst der Skorpione
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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mit ihm geschehen war. Und außerdem brauchte sie eine Erinnerung an ihr altes Leben. An die Zeit vor der Wüste. Unbedingt. Während sie Björns Sachen hin- und herschob, geriet ihr ein Gegenstand in die Hände, den sie nicht gleich identifizieren konnte. Im grünlichen Licht der Schlafhöhle musste sie ihn erst dicht vor ihre Augen halten: Es war die kleine Vase, die daheim in der Wohnung gestanden hatte, auf dem Flurtisch. Vollgestopft mit Papier hatte sie die Reise nach Nordafrika überstanden, den Guerillakrieg in der Wüste und Björns Tod. Tabea wusste nicht, was sie Björn bedeutet hatte. Sie war ihm so wichtig gewesen, dass er sie eingepackt hatte. Tabea nahm sie an sich. Den Rest seiner Habseligkeiten schob sie an der Wand zu einem unförmigen Haufen zusammen. Den würde sie hier lassen.
    Nach den Schlägen Nasrids hatte sie gedacht, jetzt könne nichts Schlimmeres mehr kommen, aber als sie im Kamelstall der Basis zum ersten Mal der Fennekfrau begegnete, merkte sie, dass das dumm von ihr gewesen war. Man musste nur einmal in ihre Augen sehen, um sich vor ihr zu fürchten. Sie waren von einem stechenden Blau und strahlten einen kalten Hass aus, der Tabea sofort die Kehle zuschnürte. Ihre Augen standen in einem seltsamen Kontrast zu der tiefbraunen Haut, der noch verstärkt wurde durch ihren blendend weißen Umhang. Sie war nicht viel größer als Tabea, aber die Luft um sie herum schien von einer seltsamen Energie zu vibrieren, die sogar die Kamele nervös machte. Sirit hieß sie. Abdellatif war in der Nähe, aber er würde keine Hilfe sein. Erstens hatte er ihr den Fluchtversuch nie verziehen, weil er selbst dafür mit zehn Stockhieben bestraft worden war, zweitens hätte er gegen Sirit genauso wenig machen können wie alle anderen. Aslal wäre ihr vielleicht gewachsen gewesen oder Nasrid. Björn vielleicht auch. »Was glotzt du mich so an?«, fragte Sirit. »Auf die Knie!«, befahl sie.
    Ihre Stimme war erstaunlich tief. Sie hatte gar nicht geschrien, aber Tabea beeilte sich zu gehorchen. Trotzdem wurde sie von Sirit geschlagen, zwischen Schulter und Hals. Nicht einmal besonders fest, aber es tat so weh, dass Tabea kurz die Luft wegblieb. Sirit kam näher. Tabea wagte nicht aufzusehen. Etwas Kaltes, Schweres wurde ihr um den Hals gelegt, es fühlte sich an wie ein ungewöhnlich dickes Halsband. Es schloss sich in ihrem Nacken mit einem metallischen Klicken. Sirit berührte das Halsband erst einmal, dann zweimal, und plötzlich geschah etwas sehr Seltsames: Es war, als gieße man kaltes Wasser ihren Rücken hinab, von innen. Sie wollte aufschreien, aber zu ihrem Schrecken dauerte es schier ewig, bis sie ihren Kehlkopf, ihre Zunge, ihre Lippen bewegen konnte, und selbst dann kam nur ein klägliches Blöken aus ihrem Mund, das sich in ihren Ohren nicht mehr menschlich anhörte. Sie wollte von Sirit wegrutschen, um sich in Sicherheit zu bringen, aber ihre Beine gehorchten ihr nicht. »Steh auf!«, befahl die Frau.
    Tabea beeilte sich, aber all ihre Glieder fühlten sich an, als seien sie aus Blei. Jetzt hörte sie zum ersten Mal das hohe Summen, das von dem Halsband ausging.
    »Schneller!«, kommandierte Sirit und hob ihren Stock. Tabea brach der Schweiß aus, sie kämpfte gegen das Blei in ihren Knochen an. Dann stand sie endlich.
    »Das muss noch besser werden«, sagte Sirit. »Das wird besser werden. Wie ich höre, hast du ein bisschen für Aufsehen gesorgt, indem du einen Zombie aus Europa herausgeschmuggelt hast. Hast du dich je gefragt, wie sich ein Zombie fühlt? Deine Neugier wird gerade befriedigt. Das Sklavenband um deinen Hals benutzt zwar eine andere Technik, aber das Ergebnis ist das gleiche.«
    Tabea wollte »Ich…« sagen, aber sie hatte den Mund noch gar nicht richtig aufgemacht, da fuhr ihr Sirit dazwischen. »Still! Ab jetzt redest du nur, wenn du gefragt wirst. Außerdem haben wir sowieso schon zu viel Zeit verplempert. Komm jetzt.« Ein Wüstenbuggy stand bereit, um Sirit, zwei Leibwachen und Tabea von der Basis wegzubringen. Willenlos folgte Tabea ihrer neuen Herrin.
    Es war schon dunkel, als sie beim Zeltlager der Fennekfrauen ankamen. Der Buggy tauchte sofort wieder in den Untergrund ab, der Fahrer würde ihn zur Basis Nasrids zurückbringen. Die letzten Meter zum Zeltlager gingen Sirit und Tabea zu Fuß. Die Feuer brannten schon, das größte genau in der Mitte des zeltumstandenen Platzes. Alle Fennekfrauen standen auf, um ihre Anführerin zu begrüßen. »Setzt euch«, sagte sie, und
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