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Der Freigeist

Der Freigeist

Titel: Der Freigeist
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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gut Gewissen.
    Lisette . Ich auch.—Doch lassen Sie uns nicht das Hundertste ins Tausendste schwatzen.—Recht! an den Feiertag will ich gedenken! Er war der letzte in unsrer Ordnung; denn noch den Abend kam Theophan an.
    Henriette . Und also, mit Erlaubnis meiner Schwester, bist du heute meine.
    Juliane . Ohne Widerrede.
    Lisette . Juchhei! Mamsellchen. Ich bin also heute Ihre: Juchhei!
    Juliane . Ist das dein Loesungswort unter ihrer Fahne?
    Lisette . Ohne weitre Umstaende: erzaehlen Sie mir nunmehr Ihre Streitigkeit.—Unterdessen lege ich mein Gesicht in richterliche Falten.
    Juliane . Streitigkeit? Eine wichtige Streitigkeit? Ihr seid beide Schaekerinnen.—Ich will nichts mehr davon hoeren.
    Henriette . So? Du willst keinen Richter erkennen? Ein klarer Beweis, dass du unrecht hast.—Hoere nur, Lisette! wir haben ueber unsre Anbeter gezankt. Ich will die Dinger immer noch so nennen, mag doch zuletzt daraus werden, was da will.
    Lisette . Das dachte ich. Ueber was koennten sich zwei gute Schwestern auch sonst zanken? Es ist freilich verdriesslich, wenn man sein kuenftiges Haupt verachten hoert.
    Henriette . Schwude! Maedchen; du willst ganz auf die falsche Seite. Keine hat des andern Anbeter verachtet; sondern unser Zank kam daher, weil eine des andern Anbeter—schon wieder Anbeter!—allzusehr erhob.
    Lisette . Eine neue Art Zanks! wahrhaftig, eine neue Art!
    Henriette . Kannst du es anders sagen, Juliane?
    Juliane . Oh! verschone mich doch damit.
    Henriette . Hoffe auf kein Verschonen, wenn du nicht widerrufst.—Sage, Lisette, hast du unsre Maennerchen schon einmal gegeneinander gehalten? Was duenkt dich? Juliane macht ihren armen Theophan herunter, als wenn er ein kleines Ungeheuer waere.
    Zweiter Aufzug
    13
    Der Freigeist
    Juliane . Unartige Schwester! Wann habe ich dieses getan? Musst du aus einer fluechtigen Anmerkung, die du mir gar nicht haettest aufmutzen sollen, solche Folgen ziehen?
    Henriette . Ich seh, man muss dich boese machen, wenn du mit der Sprache heraus sollst.—Eine fluechtige Anmerkung nennst du es? Warum strittest du denn ueber ihre Gruendlichkeit?
    Juliane . Du hast doch naerrische Ausdruecke! Fingst du nicht den ganzen Handel selbst an? Ich glaubte, wie sehr ich dir schmeicheln wuerde, wenn ich deinen Adrast den wohlgemachtesten Mann nennte, den ich jemals gesehen haette. Du haettest mir fuer meine Gesinnungen danken, nicht aber widersprechen sollen.
    Henriette . Sieh, wie wunderlich du bist! Was war mein Widerspruch anders, als ein Dank? Und wie konnte ich mich nachdruecklicher bedanken, als wenn ich den unverdienten Lobspruch auf deinen Theophan zurueckschob?—
    Lisette . Sie hat recht!
    Juliane . Nein, sie hat nicht recht. Denn eben dieses verdross mich. Muss sie auf einen so kindischen Fuss mit mir umgehen? Sahe sie mich nicht dadurch fuer ein kleines spielendes Maedchen an, das zu ihr gesagt haette: Deine Puppe ist die schoenste; und dem sie also, um es nicht boese zu machen, antworten muesste: Nein, deine ist die schoenste?
    Lisette . Nun hat sie recht!
    Henriette . Oh! geh, du bist eine artige Richterin. Hast du schon vergessen, dass du mir heute angehoerst?
    Lisette . Desto schaerfer eben werde ich gegen Sie sein, damit ich nicht parteiisch lasse.
    Juliane . Glaube mir nur, dass ich bessere Eigenschaften an einer Mannsperson zu schaetzen weiss, als seine Gestalt. Und es ist genug, dass ich diese bessern Eigenschaften an dem Theophan finde. Sein Geist−—
    Henriette . Von dem ist ja nicht die Rede. Jetzt koemmt es auf den Koerper an, und dieser ist an dem Theophan schoener, du magst sagen, was du willst. Adrast ist besser gewachsen: gut; er hat einen schoenern Fuss: ich habe nichts dawider. Aber lass uns auf das Gesicht kommen.—
    Juliane . So stueckweise habe ich mich nicht eingelassen.
    Henriette . Das ist eben dein Fehler.—Was fuer ein Stolz, was fuer eine Verachtung aller andern blickt nicht dem Adrast aus jeder Miene! Du wirst es Adel nennen; aber machst du es dadurch schoen? Umsonst sind seine Gesichtszuege noch so regelmaessig: sein Eigensinn, seine Lust zum Spotten hat eine gewisse Falte hineingebracht, die ihm in meinen Augen recht haesslich laesst. Aber ich will sie ihm gewiss herausbringen: lass nur die Flitterwochen erst vorbei sein.—Dein Theophan hingegen hat das liebenswuerdigste Gesicht von der Welt. Es herrscht eine Freundlichkeit darin, die sich niemals verleugnet.—
    Juliane . Sage mir doch nur nichts, was ich ebensogut bemerkt habe, als du. Allein
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