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Der Frauenmörder

Der Frauenmörder

Titel: Der Frauenmörder
Autoren: Hugo Bettauer
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Laufbahn weniger irgendwelchen hervorstechenden Eigenschaften, als mustergültiger Pflichttreue, tadelloser Lebensführung und außerordentlichem Taktgefühl, bewiesen in peinlichen, in den vornehmsten Kreisen spielenden Affären, verdankte, glich Krause in keiner Weise den üblichen Kriminalunterbeamten, die man Detektive zu nennen pflegt. Und seine Karriere, seine Lebensgeschichte, sein Werdegang waren wohl ganz außerordentlicher Art. Aber sogar die wenigen Eingeweihten wußten von ihm nicht viel mehr, als daß Krause gar nicht Krause hieß, sondern dies nur ein von ihm angenommener Name sei, und daß es ihm nicht an der Wiege gesungen worden war, dereinst höchstpersönlich, nicht vom grünen Tisch aus, sondern mittelst Einsetzung aller Kräfte Verbrechern nachjagen zu müssen. Genaues wußte im Roten Haus am Alexanderplatz eigentlich nur Dr. Clusius, und weil er es wußte, so schätzte er diesen mitunter höchst widerwärtigen Krause so sehr, ja ganz tief im Inneren brachte er ihm eine Hochachtung und Bewunderung entgegen wie keinem anderen Menschen aus seinem Wirkungs- und Bekanntenkreis.
    Krause war ein unglücklicher Mensch und hatte einen Knacks weg, von dem er sich nicht erholen konnte. Er hieß in Wirklichkeit Joachim von Dengern, entstammte einer wenig begüterten, aber um so vornehmeren Familie, hatte sein Einjährigenjahr bei den Gardekürassieren abgedient, war Reserveleutnant geworden und nach Erlangung des Juristischen Doktordiploms und später des Referendarexamens in die Kanzlei eines der berühmtesten Berliner Rechtsanwälte, des Justizrates Rodenbach, eingetreten. Man war jung, hatte in Pommern einen Bruder Gutsbesitzer, der durch Heirat klotzig reich geworden war, man jeute also ein bißchen, gab für nette kleine Mädchen mehr Geld aus, als man eigentlich durfte, pumpte von Zeit zu Zeit den um zehn Jahre älteren Bruder kräftig an, kam oft etwas verkatert und zu spät in das Bureau oder zu Gericht — kurzum, man lebte so und nicht schlechter als tausend andere junge Referendare, die "von" sind, als nette, lustige Kerle gelten und gut daran tun, sich die Hörner abzustoßen, bevor es unter das Joch der Ehe und Würden geht.
    Bis sich eines Tages Furchtbares und Unerwartetes ereignete. Justizrat Rodenbach hatte in einer Prozeßangelegenheit von einem Klienten ein Depot von etlichen Millionen Mark in barem Geld erhalten. Diesen Betrag legte er in Gegenwart seines jungen Gehilfen, Dr. Joachim von Dengern, in den eisernen Kassenschrank, wobei er sagte, daß es eigentlich recht unvorsichtig sei, solche Summen zu behalten, um so mehr als der Kassenschrank veraltet sei und einem halbwegs gewiegten Einbrecher wenig Widerstand entgegensetzen wurde. Einer Bemerkung, der Joachim von Dengern pflichtschuldig beistimmte, nicht ohne zu denken, daß es gerade jetzt, da der Dalles wieder einmal erheblich war, sehr schön wäre, einen Teil des Geldes zu besitzen. An diesem Tag gab es vielerlei Arbeit, manche, die nach Ansicht des Referendars hätte liegen bleiben können, nach der Ansicht des Justizrates aber unbedingt erledigt werden sollte. Joachim von Dengern mußte tüchtig Überstunden machen und befand sich, nachdem der Justizrat sich ins königliche Opernhaus begeben und auch die anderen, weniger intensiv beschäftigten Herren fortgegangen waren, noch eine Stunde oder mehr allein im Bureau. Er nahm daher, wie immer in solchen Fällen, die zweiten Bureauschlüssel mit sich, nachdem er alle Türen ordentlich versperrt hatte, während der alte Bureaudiener August, der schon frühmorgens zu kommen pflegte, die andere Garnitur besaß. Auch der Justizrat hatte natürlich Schlüssel bei sich.
    Am anderen Tag fand Joachim von Dengern, als er nach durchzechter Nacht etwas bleich und zitterig den Dienst antrat, das Bureau in chaotischem Zustand an. Furchtbares hatte sich ereignet! Der Kassenschrank war mittelst primitiver Instrumente erbrochen und seines kostbaren Inhaltes beraubt worden. Dr. Clusius, damals noch gewöhnlicher Kriminalkommissär, führte die Untersuchung und wußte nach knapp einer Stunde genau Bescheid. Nur der Referendar Joachim von Dengern konnte der Täter sein! Er allein hatte von den Millionen im Kassenschrank gewußt, er war allein im Bureau zurückgeblieben, er wußte genau, wo im Vorzimmer auf einem verstaubten Aktenschrank ein Werkzeugkasten stand, mittelst dessen Inhalt, wie einwandfrei nachgewiesen werden konnte, die Herausstemmung der Schloßzunge erfolgt war. Außerdem: Dengern war
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