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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf
Autoren: John Katzenbach
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musste, während die Trainer dem verletzten Jungen zu Hilfe eilten. Eine Sekunde lang rechnete sie mit demselben Knacken, dann legte sie so behutsam, als ginge es darum, ein schlafendes Kind nicht zu wecken, den Hörer auf die Gabel. Sie blieb reglos stehen und lauschte ihrem eigenen Herzschlag. Sie schluckte schwer, dann spannte sie die Armmuskeln an, ein Mal, zwei Mal. Anschließend die Beine. Sie spürte das Zusammenziehen und Lösen der Sehnen und Muskeln. Ich bin stark, dachte sie.
Du musst noch viel stärker sein.

2.
    Der Vormittag war bereits fortgeschritten, als Susans Leichnam endlich abtransportiert wurde. Detective Barren hatte am Rande des Fundorts ausgeharrt und dem systematischen Sammeln von Beweismaterial zugesehen. Polizisten in Uniform hielten die stetig wachsende Schar Neugieriger auf Distanz, wofür sie dankbar war. Die Nachrichtenmedien von Miami waren früh angerückt und versuchten, sich irgendwie Zugang zum Fundort zu verschaffen. Kameraleute filmten die Aktivitäten, während die Reporter Lieutenant Burns und andere Ermittler mit Fragen löcherten. Es war unvermeidlich, dass früher oder später einer der Journalisten von ihrer persönlichen Verbindung zu der Toten erfuhr und dies in den Berichten hervorhob. Sie beschloss, einfach zu warten, bis die Fragen kamen.
    Als zwei Mitarbeiter von der Gerichtsmedizin Susan behutsam in einen schwarzen Leichensack schoben, hatte sie sich abgewandt. Sie ging zu Lieutenant Burns hinüber, der mit zwei geschniegelten Ermittlern in Anzug und Weste sprach, denen die zunehmende Schwüle nichts auszumachen schien. Als Burns sie kommen sah, öffnete er den Kreis und machte sie mit den beiden Männern bekannt.
    »Merce. Detective Barren, ich weiß nicht, ob Sie Detective Moore und Detective Perry vom Morddezernat des Bezirks kennen. Sie leiten die Ermittlungen zu diesem Campus-Killer.«
    »Ich habe von Ihnen gehört.«
    »Ebenso andersherum«, erklärte Detective Perry.
    Sie schüttelten einander die Hände und blieben verlegen stehen.
    »Es tut mir leid, Sie unter solch traurigen Umständen kennenzulernen«, meinte Detective Perry. »Ich verfolge Ihre Arbeit mit größter Bewunderung. Besonders bei dieser Vergewaltigungsserie.«
    »Danke«, erwiderte Detective Barren. Für eine Sekunde erschien vor ihrem geistigen Auge ein pockennarbiges Gesicht mit unförmiger Nase. Sie erinnerte sich, wie sie über rund zwei Dutzend Fallakten gebrütet hatte, bis sie irgendwann das Glied in der Kette fand, das zur Verhaftung führte. Der muskulöse Vergewaltiger hatte stets eine Strumpfmaske getragen. Fast sämtliche Opfer hatten ausgesagt, er litte unter schwerer Akne auf dem Rücken. Von einem Dermatologen hatte sie erfahren, dass Menschen mit Akne auf dem Rücken meist auch im Gesicht von Narben gezeichnet seien. Sie hatte allerdings vermutet, dass die Maske etwas anderes verbergen sollte.
    Sie begann, den örtlichen Sport- und Fitnessclubs verstärkt Besuche abzustatten – eher eine Ahnung als ein konkreter Verdacht. In der Sporthalle in der Fifth Street von Miami Beach, in der angehende Boxer ihre Träume an Sandsäcken austobten, war ihr ein kleiner, sehr kräftiger Bursche der Federgewichtsklasse ins Auge gefallen, der nicht nur an Rücken und Gesicht schwere Akne aufwies, sondern auch eine deutlich gebrochene Nase sowie eine auffällig gezackte, rote Narbe an der Wange.
    »Man sollte die Intuition nie unterschätzen«, sagte Detective Perry.
    »Nur leider beeindruckt sie selten einen Richter, von dem man einen Durchsuchungsbefehl braucht.«
    Sie lächelten zaghaft.
    »Wie können wir Ihnen also helfen?«, fragte Detective Perry.
    »Hat man irgendetwas unter der Leiche gefunden?«
    »Nichts von Wert. Nur ein Stück Papier.«
    »Was für ein Papier?«
    »Genauer gesagt, einen Fetzen. Sieht aus wie die obere Hälfte von diesen Dingern, die beim Einchecken am Flughafen an den Koffergriff geklebt werden, nur um einiges größer. Jedenfalls irgendeine Art von Etikett.« Er hob die Hände. »Nein, nichts dran, was uns weiterhelfen könnte, lediglich das obere Viertel, das Übrige war abgerissen. Außerdem ist es schwer zu sagen, wie lange das schon da gelegen hatte. Vielleicht hat er sie zufällig darauf abgelegt, ein Stück Abfall, weiter nichts.«
    Sie dachte an ihre Nichte inmitten von Müll. Sie schüttelte den Kopf, um einen klaren Gedanken zu fassen.
    »Was haben Sie jetzt vor?«, erkundigte sich Detective Barren.
    »Wir werden uns erst einmal in dem Nachtclub umsehen
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