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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf
Autoren: John Katzenbach
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sie loszuwerden. Wenn wir den Wagen von dem Burschen ermittelt haben, haben wir ihn am Haken. Es muss Blut und Haut und alles Mögliche da drin zu finden sein. Das bekommt er nicht weg. Aber brauchbare Indizien hier am Leichenfundort? Können wir nur hoffen, aber ich würde nicht darauf zählen.«
    Sie nickte wieder.
    »Ich sag Ihnen mit alldem nichts Neues.«
    »Nein.«
    Sie gab ihm die Liste zurück und starrte auf die Reihen Plastiktüten, die im Laderaum des Vans fein säuberlich aufgereiht waren. Sie wusste nicht einmal, wonach sie suchen sollte.
    »Was ist das?«, fragte sie und zeigte auf eine davon.
    »Der letzte Punkt auf der Liste. Irgendein gelbes Etikett. Hat man unter der Leiche gefunden.«
    Er reichte es ihr. Sie starrte auf das zerfetzte, gelbe Stück Papier in der durchsichtigen Plastikfolie und drehte den Beutel hin und her. Was bist du?, fragte sie stumm. Was hast du zu bedeuten? Was willst du mir sagen? Wie kommst du hierher? Sie hatte plötzlich das starke Verlangen, das kleine Stück Papier zu schütteln, um es zum Reden zu bringen. Ich werde dich nicht vergessen, sagte sie zu dem Papier. Dann ging sie die Reihe Tüten durch. Ich werde keine von euch vergessen. Mit Schrecken wurde ihr bewusst, wie verrückt sie sich benahm. Sie legte das Tütchen in den Wagen zurück.
    Sie musste ziemlich albern wirken. Sie wusste, dass es einige Zeit dauern würde, den Leichenfundort auszuwerten, und die Chancen, brauchbare Indizien zu finden, waren äußerst gering. Sie wurde rot und drehte sich weg. Sie sah, wie die Ermittler in ein Zivilfahrzeug stiegen. In der Ferne machte ein Polizeifotograf Aufnahmen von der Totalen. Der Wagen der Gerichtsmedizin verließ den Parkplatz, und am Ausgang warteten schon die Kameraleute, um die Abfahrt festzuhalten. Ein Gefühl der Hilflosigkeit überwältigte sie, und sie merkte, wie die dünne Fassade professioneller Sachlichkeit, die sie den ganzen Vormittag hatte aufrechterhalten können, jetzt, da die Kollegen von der Spurensicherung, der Gerichtsmedizin und vom Morddezernat die Szene verließen, zu bröckeln begann. Sie fühlte sich vollkommen ausgeliefert und mitihren Gefühlen alleingelassen. Sie merkte, wie es ihr Brust und Kehle zuschnürte. Sie rang nach Luft und machte sich auf den Weg zu ihrem Wagen. Als sie die Tür öffnete, kam ihr ein Schwall der darin gestauten Hitze entgegen. Sie setzte sich in den Backofen und dachte an Susan. Sie dachte an ihren Traum. Wie in den letzten Minuten ihres Schlafs wollte sie schreien: Wach auf! Bring dich in Sicherheit!
    Doch sie konnte es nicht.
     
    Die Dame im Blumengeschäft hatte Detective Barren beäugt und schließlich gefragt: »Suchen Sie etwas für einen besonderen Anlass?« Detective Barren hatte mit ihrer Antwort einen Moment gezögert, und die Dame hatte unbekümmert weitergeplappert: »Ich meine, wenn Sie etwas für eine Kollegin oder Sekretärin suchen, kann ich Ihnen eins von diesen Blumenarrangements empfehlen. Oder sind sie für einen Kranken? Dann wäre so ein Bouquet das Richtige. Ein Krankenhausbesuch? Wir stellen immer fest, dass Krankenhauspatienten kleine Topfpflanzen lieben – wahrscheinlich macht es ihnen Freude zu sehen, wie die Pflanzen wachsen …«
    »Sie sind für meinen Geliebten«, antwortete Detective Barren.
    »Oh«, entfuhr es der Frau ein wenig verblüfft.
    »Stimmt etwas nicht?«
    »Nein, das ist nur ungewöhnlich. Wissen Sie, normalerweise kommen die Männer, um für ihre, ähm, Lebensgefährtinnen Blumen zu kaufen. Das hier ist mal was anderes.« Sie lachte. »Manche Dinge ändern sich nie, egal, wie modern wir sind. Männer kaufen ihren Freundinnen und Ehefrauen Blumen. Nicht umgekehrt. Sie kommen in den Laden und stehen ein bisschen verlegen vor der gekühlten Ware und starren die Blumen an, als hofften sie auf ein Zeichen, irgendetwas, dasihnen sagt: Kauf mich für deine Frau. Oder deine Freundin. Und durchaus nicht junge Männer. Die jungen Männer von heute scheinen den Wert schöner Blumen nicht mehr zu schätzen. Manchmal habe ich das Gefühl, wir sind viel zu – ich weiß nicht – zu nüchtern geworden. Ich meine, es dauert bestimmt nicht mehr lang, und man verschickt Valentinskarten mit dem Computer. Aber es sind immer noch die Männer, nicht die Frauen. Nein, ich glaube, ich hatte noch nie eine Frau, die hier reingekommen ist …«
    Detective Barren blickte die Frau an, und die Verkäuferin verstummte mitten im Satz, bevor sie sich nach einer Weile räusperte. »Oje, ich
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