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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)
Autoren: DeVa Gantt
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zurückgeschreckt war, erinnerte sie sich voller Glück an die leidenschaftliche Umarmung und hatte noch immer den lockenden Ton seiner Stimme im Ohr. Rasch holte sie Luft und mahnte sich zur Vorsicht. Dies war ein Spiel mit dem Feuer, und es war sicher klüger, solche Begegnungen in Zukunft zu vermeiden. Wie schwer ihr das werden würde, merkte sie schon im nächsten Augenblick, als Paul den Arm um die Schultern eines der Stalljungen legte und sie sich augenblicklich in seine starken Arme zurückträumte.
    In diesem Moment fiel die Haustür ins Schloss und zerstörte das Traumbild. Vorsichtig spähte Charmaine über das Geländer – und zuckte im selben Augenblick zurück. Es war der Teufel persönlich, der die Stufen hinuntereilte. Er trug eine braune Lederkappe und ein weißes Hemd, dazu eine hellbraune Reithose und passende Stiefel. Seine Haltung wirkte locker und doch so überheblich, dass Charmaine versucht war, ihm jede Niederlage zu wünschen. Sie kannte ihn erst seit drei Tagen, und trotzdem war klar, dass sich dieser Wunsch nie erfüllen würde, denn niemand anderer strahlte eine solche Selbstsicherheit aus. Nicht einmal Paul. Wieder hallten ihr Colettes Worte im Ohr: Dieser Mann ist ein Rätsel … eines von vielen . Du lieber Himmel, eines war wahrlich genug!
    John hatte die Wiese fast überquert, als Paul sich aus dem Kreis der Männer löste und auf ihn zuging. Charmaine stockte der Atem, weil Paul offenbar eine bissige Bemerkung machte, die sie allerdings nicht verstand. John wedelte mit einem Brief vor Pauls Gesicht herum. Mit einem einzigen Brief! Dann sagte er etwas, woraufhin Paul sich zur Fassade des Hauses umdrehte. Es dauerte keine Sekunde, bis er sie entdeckt hatte und ein Lächeln über seine Lippen glitt. Charmaine schüttelte den Kopf. John musste gewusst haben, dass sie auf dem Balkon stand. Aber woher? Oder hatte er es gar nicht gewusst? Hatte er Paul nur ärgern wollen und Glück gehabt?
    John verschwand im Stall, und als er ein paar Minuten später wieder auftauchte, führte er seinen schwarzen Hengst am Zügel. Phantom – laut der Zwillinge. Das Tier schien sich gegen die Trense zu wehren; sein schwarzes Fell glänzte im Sonnenlicht.
    Als ein Pferdeknecht ein weiteres Pferd aus dem Stall führte und George die Zügel übergab, warf Paul besorgt die Hände in die Höhe. »Es dauert bestimmt nicht lange!«, rief George, nachdem er aufgesessen war.
    Jeder schien gespannt darauf zu warten, dass John dem Beispiel seines Freundes folgte. Dabei wagte niemand, nicht einmal Paul, diesen »Dämon« zu reiten. Die Stallburschen hatten ihn so getauft, weil er ständig ausbrach, über die Zäune sprang oder ihnen entwischte, die anderen Pferde biss und sie alle Mühe hatten, ihn von den anderen abzusondern. Wie es aussah, wollte John genau das tun, wofür Paul zum Glück zu vernünftig war. Charmaine nahm sich vor, lauthals zu lachen, wenn er abgeworfen wurde.
    Der Hengst witterte die Freiheit und scharrte ungeduldig mit den Hufen, während John unbeeindruckt weiter mit George redete. Beiläufig zog er etwas aus seiner Hemdtasche und hielt es dem Tier unter die Nüstern. Phantom schnupperte und knabberte gierig. John strich kurz über die seidige Flanke und schwang sich dann mit einer fließenden Bewegung in den Sattel. Das Tier bockte, doch John parierte sofort mit dem Zügel. Laut wiehernd schüttelte Phantom seine Mähne und begann, sich um sich selbst zu drehen. Charmaine lachte leise in sich hinein. Ein erfahrener Reiter war John nicht. Zumindest diese kleine Schwäche hatte sich gezeigt!
    »Er braucht dringend Bewegung«, rief George. »Er wurde seit Ewigkeiten nicht mehr geritten.«
    »War mein Bruder etwa zu feige, um ihn ordentlich zu bewegen?«
    »Blödsinn, John! Mein Hals war mir wichtiger. Wenn er dich abwirft, bist du selbst schuld. Der lässt sich nur anständig reiten, wenn er völlig erschöpft ist.«
    »Das werden wir ja sehen! Ich bin überzeugt, dass er sich in kürzester Zeit wieder an sämtliche Tricks erinnert.«
    Als ob er seine Worte unterstreichen wollte, beugte John sich nach vorn und tätschelte Phantom den Hals. Ein kleiner Druck gegen die Flanken – und schon trabte der Hengst auf Paul zu. Mit ausgestrecktem Arm zauste John das Haar seines Bruders und lachte, als Phantom einen weiten Bogen auf der Zufahrt beschrieb und seine Hufe rhythmisch auf das Pflaster schlugen. Ein Ruck am Zügel – und sofort schoss der Hengst vorwärts und sprengte mit wehendem Schwanz
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