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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)
Autoren: DeVa Gantt
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Duvoisin eine so kaltherzige Person wie diese Agatha Ward heiraten konnte … Ich gehe ihr nach Möglichkeit aus dem Weg … Paul ist nach wie vor der vollendete Gentleman … Manchmal glaube ich, dass er – abgesehen von Rose und George Richards – der einzige Freund ist, den ich hier im Haus habe … Vergangene Woche ist George endlich nach Charmantes zurückgekehrt. Auf keinen Fall sollten Sie die Hoffnung hegen, dass er für mich in Frage käme … Solche Gedanken liegen mir fern … Vor ein paar Tagen ist auch John Duvoisin heimgekehrt – und das, wie man sich erzählt, gegen den ausdrücklichen Wunsch seines Vaters. Sein Benehmen hat meine Vorbehalte gegenüber der Ehe nur noch bestärkt. Inzwischen kann ich sogar Frederic Duvoisins Verachtung für sein eigen Fleisch und Blut nachempfinden. John ist ein ungehobelter Kerl, den man nur verachten kann. Er verbringt ganze Tage in seinem Zimmer und trinkt oft bis zum Morgengrauen. Ich meide die Begegnung mit ihm, wann immer ich kann. Doch er taucht stets in den unmöglichsten Augenblicken auf, und dann muss ich jedes Mal wieder erkennen, dass ich seinem Sarkasmus nichts entgegensetzen kann. Seine Ablehnung meiner Person hat mehrere Gründe. Er weiß zum Beispiel über meinen Vater Bescheid – zweifellos durch seine zukünftige Braut, die verwitwete Anne Westphal London … Kennen Sie diese Person? Allerdings bin ich längst nicht sein einziges Opfer. John Duvoisin hackt praktisch auf jedem herum. Sogar auf seiner Tante und jetzigen Stiefmutter … wenn man so will. Sie können Mr. Harrington ausrichten, dass er mit seiner Einschätzung nie richtiger gelegen hat als bei diesem Menschen. Bitte bestellen Sie allen, die ich kenne, meine besten Grüße …
    Seufzend steckte sie den Brief in den Umschlag zurück. Dann setzte sie sich an den Frisiertisch und fuhr mit langen Bürstenstrichen durch ihre Locken.
    Mit einem Mal wurde die morgendliche Stille durch unflätige Flüche unterbrochen. Hastig sprang Charmaine hoch und eilte in den Korridor. Gefolgt von einem Holzeimer, der von einer Wand abprallte und dabei seinen Inhalt auf die Stufen entleerte, floh Joseph Thornfield in Riesensätzen die Treppe hinunter.
    »Du verdammter Dummkopf! Ich bade zwar für mein Leben gern, aber deswegen will ich noch lange nicht den Sopran im Knabenchor singen!«
    Unwillkürlich folgte Charmaines Blick dem Gebrüll – und sie riss überrascht die Augen auf. Triefend nass beugte sich John Duvoisin über das Geländer und schimpfte dem jungen Diener hinterher. Bis auf das Badetuch, das er sich um die Hüften geschlungen hatte, war er nackt. Aber diese ungehörige Blöße schien ihm gar nicht bewusst zu sein. Ohne es zu wollen, verglich Charmaine Johns Körper mit dem seines Bruders – ihrem obersten Maßstab, was das männliche Erscheinungsbild anging – und musste widerstrebend zugeben, dass die beiden sich durchaus miteinander messen konnten: dieselben breiten Schultern, dazu muskulöse Arme und Beine und ein straffer Bauch, der im Augenblick allerdings leicht gerötet war. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie merkte, dass sie nicht länger auf seinen Rücken starrte. Als ihre Blicke sich trafen, zog Charmaine eine Grimasse. Doch John grinste nur. Den Schmerz hatte er angesichts des unverhofften Publikums offenbar schnell vergessen.
    »Ihre Bäckchen glühen ja wie Äpfelchen, my charm . Hat mein Bruder Sie denn noch nicht mit der männlichen Anatomie vertraut gemacht? Oder habe ich durch meine Ankunft etwa die erste Lektion unterbrochen?«
    Gekränkt stürmte Charmaine in ihr Zimmer und knallte die Tür so laut ins Schloss, wie sie nur konnte. Aber der Erfolg war gleich null. Es dauerte noch fast eine ganze Minute, bis das Gelächter endlich verhallte.
    Als sie ihr Zimmer zum zweiten Mal verließ, war es noch immer früh am Morgen. Doch die Hoffnung auf ein ungestörtes Frühstück war dahin. Johns Gebrüll hatte alle Bewohner des Hauses aufgeschreckt. Alle bis auf Agatha, die allein in ihrem Salon frühstückte. Als Charmaine und die Kinder auf der Treppe mit Paul, George und Rose zusammentrafen, betete sie inständig, dass wenigstens John sich verspäten möge. Doch in letzter Zeit war keines ihrer Gebete erhört worden, und so dauerte es nicht lange, bis auch der andere Bruder auf der Bildfläche erschien, kaum dass die übrige Familie im Speisezimmer versammelt war.
    »Guten Morgen, allerseits!«, grüßte John fröhlich und zwinkerte Charmaine zu.
    Sie bedachte ihn
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