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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)
Autoren: DeVa Gantt
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Frederic blieb mit seiner Verachtung und dem zunehmenden Mitleid für Agatha allein zurück.
    Am frühen Nachmittag hörte es auf zu regnen, und der Himmel klarte auf. Der einzige Beweis für den Dauerregen waren die winzigen Wasserperlen, die wie Tautropfen an jedem Grashalm glitzerten. Charmaine bewunderte die Schönheit der Natur um sich herum und fühlte, wie ihr Kummer ein wenig abebbte. Paul war mit den Kindern noch unterwegs, und angesichts des besseren Wetters rechnete sie auch nicht vor einer weiteren Stunde mit ihrer Rückkehr. Sie dachte an Pierre, als sie über die Zufahrt schlenderte.
    Ziellos spazierte sie zum Stall hinüber und strich ihrer grauen Stute zärtlich über die Nüstern. »Sie ist eine richtige Schönheit«, hörte sie plötzlich eine Stimme aus einem der Ställe sagen.
    »Das ist wahr.« Die Stute schnupperte an ihr, als sie sich zu dem Pferdeknecht umdrehte. Vom Sehen her war ihr der Mann vertraut, aber sie wusste nicht, wie er hieß.
    »Und eines der friedlichsten Pferde im Stall.« Der Mann rieb seinen Arm, den er in einer Schlinge trug. »Ich habe sie persönlich ausgesucht, als Master John ein anständiges Pferd für die Gouvernante gesucht hat. Er hat mich bis nach Virginia geschickt.«
    Charmaine war verblüfft. »Wirklich?«
    Der Mann nickte. »Sir Richards hat alles geplant und auch die Kosten für den Mietstall bezahlt, als die Pferde auf Charmantes angekommen sind. Aber ich habe die Stute und die Ponys ausgesucht.«
    Sie freute sich. »Dann muss ich mich ja bei Ihnen bedanken, Mr. …«
    »Bud. Sagen Sie einfach Bud.«
    »Also gut, Bud.« Sie lächelte. »Haben Sie Master John heute schon gesehen?«
    »Nur ganz früh am Morgen, als er weggeritten ist.«
    »In die Stadt?«
    »Nein, Ma’am. Richtung Westen. Ich denke, er muss allein sein. Er fühlt sich immer noch schuldig, weil er mir zu Hilfe gekommen ist, als Phantom mich angriff. Er hat das Kind allein gelassen, aber er konnte doch nicht wissen, was passiert!«
    Charmaine war überrascht. Bisher kannte sie nur einige Bruchstücke der Geschichte. »Hat Phantom sich losgerissen?«
    »Ja, Ma’am. Wie so oft. Manchmal benimmt er sich wirklich wie der Teufel. Am Sonntag haben seine Augen wie wahnsinnig geglüht. Als er auf mich losgegangen ist, dachte ich, mein letztes Stündchen hätte geschlagen. Zum Glück konnte Gerald ihn ablenken, sonst hätte er mich zu Tode getrampelt.«
    »Und Master John?«
    »Er muss das Geschrei bis ins Haus gehört haben. Dann weiß ich wieder, dass sich Phantom nicht so leicht zähmen ließ wie sonst, wenn er seinen Herrn sah. Es hat ganz schön lange gedauert, bis er ihn wieder unter Kontrolle hatte. Dann hat sich Master John um mich gekümmert. Heute wünschte ich, er hätte es nicht getan. Ich mache mir Vorwürfe. Besser hätte es mich getroffen als den kleinen Kerl …«
    »Sagen Sie das nicht. Sie trifft wirklich keine Schuld. So gesehen träfe uns alle Schuld, aber gegen Gottes Willen sind wir machtlos.«
    »Danke, dass Sie das sagen«, murmelte der Mann.
    Charmaine lächelte zum ersten Mal. Dann fiel ihr Blick auf die Stute. »Würden Sie mir die Stute bitte satteln?«
    »Was? Sie wollen ausreiten?«
    »Ja«, sagte sie rasch, bevor sie den Mut verlor.
    Der Mann gehorchte, und keine zehn Minuten später folgte Charmaine dem Pfad, der zur Rückseite und dann weiter nach Westen in die Einsamkeit führte. Langsam legte sich ihre erste Nervosität. Wenn ich in Schwierigkeiten gerate, wird John mir helfen .
    Eine Begegnung mit ihm wäre jetzt genau das Richtige. Sie wollte ihn sehen und mit ihm sprechen. Sie verstand, dass er den anderen aus dem Weg ging, aber warum mied er auch sie? Er hatte sich ihr anvertraut und ihr seine Seele geöffnet. Das musste etwas bedeuten. Oder bedauerte er inzwischen diese Beichte und ging ihr aus Scham aus dem Weg?
    Auf dem Weg in die Halle starrte Robert Blackford seine Schwester ungläubig an. Sie schwieg beharrlich, und ihre Miene forderte dasselbe von ihm. Doch als Agatha in seinem Wagen saß und sie durch das Tor fuhren, stieß sie einen Freudenschrei aus.
    »Oh, welch wunderbares, welch außerordentliches Glück!«
    »Bist du jetzt völlig übergeschnappt?«, schimpfte Blackford und sah sie an, als ob er an ihrem Verstand zweifelte. »Dabei hätte ich gerade fast meinen Kopf verloren.«
    »Robert, Robert, Robert!«, jubelte Agatha und tätschelte seine Hand. »Glaubst du denn, dass ich das zugelassen hätte? Im Gegenteil. Die Dinge konnten gar nicht besser
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