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Der Fluss

Der Fluss

Titel: Der Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Paulsen
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Brian das Ufer der Flussbiegung näher kommen sah, wurde ihm klar, dass sich das Floß überhaupt nicht steuern ließ.
    Der Fluss bog nach links, und das Floß schwamm ge radeaus, schnitt die Kurve und krachte gegen die Bö schung.
    Die Wucht des Aufpralls ließ die Balken zittern. Derek wurde nach vorn geschleudert, gegen die straff gespannte Seilsicherung, und wäre beinah ins Wasser gefallen.
    Brian stürzte vor, warf sich auf Derek und hielt ihn fest, während das Floß langsam herumschwenkte und noch einmal mit dem hinteren Ende gegen das Ufer stieß, wo es im Sand stecken blieb.
    Nur einhundert Meter gefahren – und schon steckten sie fest!
    Brian glitt vom Floß – in das Wasser, das ihm bis zur Hüfte reichte – und schob es seitwärts in die Strömung zurück, kletterte wieder hinauf und musste jetzt ohn mächtig zusehen, wie der Fluss eine scharfe Biegung nach rechts machte und das Floß diesmal gegen das linke Ufer krachte.
    Kaum fünfzig Meter weiter. Einhundertfünfzig Meter und sie waren zum zweiten Mal stecken geblieben.
    Brian fluchte.
    »Ich muss das Floß irgendwie steuern. Sonst wird die Fahrt noch Monate dauern.«
    Er stakte das Floß wieder in die Mitte der Strömung und es setzte sich in Bewegung.
    Auch als sie die nächste Flussbiegung erreichten, wollte das Floß – wie immer – geradeaus schwimmen. Aber kurz bevor es ans Ufer stieß, rammte Brian seine lange Stange in den Grund, stemmte sich dagegen, und so gelang es ihm, sein schwerfälliges Fahrzeug wieder in die Flussmitte zu staken.
    Auch diesmal kurvte das Floß weit um die Biegung herum – aber immerhin prallten sie nicht gegen die Bö schung. Und schließlich hatte Brian gelernt – nach ein paar weiteren Biegungen – , mit dem Paddel so geschickt gegenzusteuern, dass er das Floß in der Strömung halten konnte.
    Der Trick war ganz einfach, wenn man es einmal be griffen hatte. Man musste nur die Kurve von innen an schneiden und darauf achten, dass das Floß nicht über die Mitte hinausschoss.
    Es war anstrengend, immer wieder den Kurs mit dem Paddel zu korrigieren. Doch nachdem sie etliche Fluss biegungen hinter sich hatten, stellte Brian fest, dass sie wieder mit der Strömungsgeschwindigkeit des Wassers dahinglitten. Es kam nur darauf an, den Wurzeln und Baumstümpfen am Ufer auszuweichen.
    Ja, es klappte. So ging die Fahrt zwischen den Ufern weiter, immer den vielfach gewundenen Flusslauf ent lang. Die Bäume zu beiden Seiten standen so dicht, dass Brian an einen Urwald denken musste.
    Die Sonne stand schräg am Himmel, als Brian sich aufrichtete und das Paddel auf die Baumstämme fallen ließ. Die Muskeln in seinem Rücken und den Armen waren steif und brannten wie Feuer.
    Nein! seufzte er. So werde ich es nicht schaffen. Und er sah ein, dass er ab und zu eine Ruhepause einlegen musste.
    Derek hatte ihm einmal erzählt, dass die Soldaten beim Militär lange Fußmärsche auf diese Weise bewäl tigten: Nach jeder Stunde legten sie eine Rast von zehn Minuten ein. Jetzt erinnerte sich Brian daran und er be schloss, es genauso zu machen. Zum Glück fiel die erste Pause auf einen Moment, als der Fluss ruhig und gerade dahinströmte. Brian reckte seine schmerzenden Muskeln und er war froh, dass er keine Zeit zu verlieren brauchte; dass das Floß von selbst mit der Strömung weiter schwamm.
    Es war heiß. Und obwohl die Strahlen der Abend sonne nicht mehr senkrecht herniederbrannten, hatten sie noch Kraft genug, um Brians Haut zu versengen. Im mer wieder schöpfte er mit der hohlen Hand Wasser aus dem Fluss, das er sich ins Gesicht spritzte und über den Nacken träufelte. Das kalte Wasser war eine wohltuende Erfrischung.
    »Mal sehen, wie weit wir gekommen sind«, sagte Brian. Er faltete die Landkarte auf und fuhr mit dem Fin ger übers Papier. Der Fluss war auf der Karte genauso eingezeichnet, wie Brian ihn unterwegs gesehen hatte – mit allen Windungen, Sandbänken und geraden Triften.
    Acht Meilen! Brian pfiff durch die Zähne und schüt telte den Kopf. Nicht ganz so schnell, wie er gehofft hatte. Acht Meilen in vier Stunden – das bedeutete: fünfzig Stunden für die ganze Reise. Zwei volle Tage würde Derek noch ohne Hilfe bleiben. Zwei Tage hatte er schon hilflos im Camp gelegen, bevor sie aufbrachen. Konnte ein Mensch – in der Sonnenglut – vier Tage ohne Wasser bleiben?
    Brians Blick fiel auf den bewusstlosen Körper auf den Stämmen. Im Gesicht und am Hals war die Haut – schutzlos der Sonne preisgegeben – stark

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