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Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Titel: Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
Autoren: Barbara Erskine , Ursula Wulfekamp
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ungewöhnliche Art attraktiv. Ihr kräftiges, dunkles Haar war zu einem Pagenkopf geschnitten, und die Ponyfransen hingen ihr fast in die Augen, die so leuchtend blau waren wie die einer Siamkatze. Sein Fahrrad fiel in die Brennnesseln, aber er lachte nur unbekümmert. »Ich wollte gerade ein paar Bücher holen, die ich in der Sakristei vergessen habe. Möchten Sie sich umsehen, bevor ich wieder zusperre?«
    Sie nickte. »Eigentlich will ich zu Belheddon Hall. Aber ich sehe mir auch gerne die Kirche an.«
    »Zum Haus kommen Sie durch die Pforte dort drüben, hinter den Eiben.« Er ging ihr den Pfad zur Kirche voraus. »Leider ist es unbewohnt. Schon seit vielen Jahren.«
    »Kannten Sie die Leute, die dort gewohnt haben?« Die Dringlichkeit, die in ihrem Blick stand, erweckte beinahe Mitleid in ihm.
    »Leider nicht. Es stand schon leer, als ich in diese Gemeinde kam. Es ist wirklich schade; eigentlich sollte wieder eine Familie dort leben.«
    »Steht es zum Verkauf?« fragte sie entsetzt.
    »Nein, das ist ja das Problem. Es gehört immer noch den Duncans. Soweit ich weiß, lebt Mrs. Duncan jetzt in Frankreich.«
    Mrs. Duncan. Laura Catherine. Ihre Mutter.
    »Sie haben nicht zufällig ihre Adresse, oder?« Joss bemerkte, daß ihre Stimme zitterte. »Ich bin sozusagen eine Verwandte. Deswegen bin ich hier.«
    »Ah ja.« Als sie die Kirche erreichten, holte er einen Schlüssel hervor, um die Tür aufzuschließen, und bat Joss in das düstere
Innere, bevor er das Licht anmachte. »Leider kann ich Ihnen nicht sagen, wo sie ist, aber vielleicht weiß es mein Vorgänger. Er war fünfundzwanzig Jahre in dieser Gemeinde, und soweit ich weiß, blieb er mit ihr in Kontakt, als sie fortgezogen ist. Ich könnte Ihnen seine Adresse geben.«
    »Ja, bitte.« Joss sah sich um. Es war ein hübsches kleines Gotteshaus, schlicht, mit kalkgeweißten Wänden, von denen sich die uralten Steinmetzarbeiten an den Fenstern, die Torbögen, die Gedenktafeln aus Bronze und die Reliefplatten deutlich abhoben. In dem nach Süden ausgerichteten Seitenschiff waren die Eichenbänke durch Stühle mit gewebten Sitzen ersetzt. Die Kirche war zum Erntedankfest geschmückt, und auf jedem Fensterbrett, auf jedem Regal und an allen Bankenden türmten sich Obst, Gemüse und Blumen. »Sie ist sehr schön.«
    »Das stimmt.« Er betrachtete den Bau mit liebevollem Stolz. »Ich habe Glück, eine so schöne Kirche zu haben. Natürlich habe ich noch drei weitere Gemeinden, aber keine der anderen Kirchen ist so schön wie diese.«
    »Ist mein…« Mein Vater, hatte Joss sagen wollen. »Ist Philip Duncan hier begraben?«
    »Aber ja. Draußen bei der Eiche. Wenn Sie zum Haus gehen, kommen Sie direkt an seinem Grab vorbei.«
    »Meinen Sie, ich darf mir das Haus ansehen? Gibt es dort einen Hausmeister oder so?« rief Joss ihm nach, als er in der Sakristei verschwand.
    »Nein. Aber ich bin sicher, daß Sie sich dort umsehen können. Es gibt niemanden mehr, den das stören könnte, leider. Früher waren die Gärten wohl wunderschön, aber jetzt sind sie völlig verwildert.« Er trat wieder ins Hauptschiff und zog die Tür zur Sakristei hinter sich zu. »Hier, ich habe Ihnen Edgar Gowers Adresse notiert. Leider weiß ich seine Telefonnummer nicht auswendig. Er wohnt in der Nähe von Aldeburgh.« Damit reichte er ihr den Zettel.
    Vom Friedhof aus sah sie ihm nach, wie er zu seinem Fahrrad ging, sich hinaufschwang und davonfuhr. In seinem Korb stapelten sich die Bücher. Plötzlich fühlte sie sich sehr einsam.
    Der Grabstein neben der Eiche war schlicht und schmucklos.
    Philip Duncan
Geboren 31. Januar 1920
Gestorben 14. November 1963
    Sonst nichts. Kein Wort von einer trauernden Witwe. Kein Wort von einem Kind. Sie starrte einige Minuten lang darauf. Als sie sich schließlich umdrehte und den Kragen ihres Mantels fester um sich zog, bemerkte sie, daß ihr Tränen in den Augen standen.
     
    Erst sehr viel später konnte sie sich von dem alten Haus losreißen und ging gedankenverloren zu ihrem Auto zurück. Sie setzte sich hinein und freute sich über die häusliche Atmosphäre, die sie hier umgab. Auf der Ablage baumelte einer von Toms Socken, den er sich hinten im Kindersitz abgestreift hatte, um an seinen Zehen zu lutschen.
    Mehrere Minuten blieb sie zusammengesunken sitzen und gab sich ihren Gedanken hin. Schließlich richtete sie sich auf und legte entschlossen die Hände an das Lenkrad.
    In ihrer Manteltasche war die Adresse eines Mannes, der ihre Mutter kannte, der
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