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Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts

Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
Autoren: Janny Wurts
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erschauern. Er zog seinen Umhang fester um seine Schultern und erkannte, daß er allein auf den Zinnen des Kielingturmes war. Lysaer und Dakar hatten ihn sich selbst überlassen, sich selbst und dem undurchdringlichen Nebel, der das düstere Zwielicht des Himmels verhüllte. In der verbleibenden Finsternis erhoben sich dumpf brütend die paravianischen Türme, lichtlos und leer und dunkel.
     
    In einem anderen Teil der Ruinen von Ithamon hockte Arithon auf einem herabgefallenen Kragstein, die Lyranthe still auf seinen Beinen. Der Zufall hatte ihn an diesen Ort geführt. Der schmutzige Hof vor seinen Augen hatte in glücklicheren Jahren den Händlern als Marktplatz gedient, auf dem sie ihre feine Wolle an die Schneider verkauft hatten. Dort, wo die Schieferplatten nicht mit Sand und Moos bedeckt waren, konnte man noch die Spuren sehen, die die Räder der Wagen hinterlassen hatten, wenn sie mit importiertem Samt und Brokat von den Webern aus Cildorn und Narms beladen waren. Doch Arithon dachte nicht an die Vergangenheit, wie er so dasaß, die Hände auf seinem Instrument, die Augen in seinem Schmerz fest geschlossen.
    Seine Nerven lagen blank.
    Musik, die stets sein Trost gewesen war, erschien ihm nun nur bitter. Er konnte nicht spielen. Jedesmal, wenn er die Finger an die Saiten führte, lieferte ihn die Wahrnehmung, die sonst sein Spiel inspiriert hatte, schutzlos dem Wirbel der Geistwesen aus, die in den Ruinen von Ithamon hausten. Die Geister seiner Ahnen rührten an seinem innersten Sein und riefen beschwörend seinen Namen. Jene, die im Zuge der Rebellion zu früh aus dem Leben geschieden waren, schmerzten ihn weniger als die, die in einer früheren Ära geboren worden waren, zu einer Zeit, als die Paravianer noch die umgebenden Hügel bewohnt hatten und der Severnir noch nicht umgeleitet, das Land noch nicht verödet gewesen war. Es waren die Geister, deren Reise durch die Zeit nicht von Bedauern geleitet war, welches seufzend gleich einem Lied im Winterwind erklang; sie hatten den Fels, die Erde und die verwitterten Überreste edler Schnitzereien berührt und ihnen die ewigen Schwingungen von Glück und Zufriedenheit eingehaucht. Der ihnen innewohnende, zarte, verlorene Klang des Frohsinns schmerzte den ungekrönten Prinzen mehr als alles andere, denn ohne dieses Volk, ohne die einstigen Bewohner, flehte ihr Lied nur kläglich um den Wiederaufbau der Stadt, die nun in Trümmern lag.
    Verstört und bekümmert über ein unheilvolles Schicksal, das nur ihm allein die Macht verlieh, dem Elend abzuhelfen, seufzte Arithon. Ein Schwert wäre seiner Stimmung angemessener gewesen als das Instrument, das ihm, während er es still in seinem Schoß wog, wie eine leidvolle Anklage erschien. Seine Sturheit hielt ihn aufrecht. Eher würde er seine Ohren verschließen und Noten spielen, die gefühllos, ja sogar falsch wären, als sich dem Kummer zu öffnen, der ihm keinen Frieden ließ.
    Wie dumm er gewesen war, daß er Asandirs Warnung in Caith-al-Caen so geringgeschätzt hatte!
    Das Wissen des gelehrten Magiers erinnerte ihn daran, daß jede Gabe auch ein zweischneidiges Schwert war. Der Anblick paravianischer Schönheit, dem er sich in vergnügter Sorglosigkeit hingegeben hatte, schmerzte ihn nun wie Tausende offener Wunden. Doch ohne sie zu leben, diesen Bereich innerer Erkenntnis zu versiegeln, würde ihn auf zutiefst bedauerliche Weise berauben, ihn blind werden lassen gegen jede Hoffnung und gegen das, was er nun als die leuchtende, immerwährende Wahrheit erkannte, die den Geist über die Zeit und den Verfall der Sterblichkeit erhob.
    Eher würde er sich dem Elend unterwerfen, das die Krone von Rathain über ihn zu bringen versprach. Die Fesseln der Regentschaft waren trotz allem nur temporärer Natur. Am Ende würde ihn doch der Tod befreien.
    Nur verschwommen waren die Kanten geborstener Steine in der Abenddämmerung noch zu erkennen. Ausgeblutet vom Licht des Tages war der Nebel so dicht wie modriger Filz. Zusammengekauert hockte Arithon in der Kälte, die Arme achtlos über der kostbaren Lyranthe Elshians gekreuzt. Falls er die sich nähernden Schritte gehört hatte, so entgingen sie doch seiner Wahrnehmung gleich mit den Geistwesen, die stetig an sein Gewissen drängten, das er vor ihnen aber verschlossen und versiegelt hielt, während andere, unheimlichere Geister nach ihm zu greifen schienen, als wollten sie sein lebendiges Fleisch in Stücke reißen.
    »Gesegneter Ath, ich habe dich mit einer Statue
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