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Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Titel: Der Fluch der Totenleserin totenleserin4
Autoren: franklin
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sondern Licht in Form von herumtollenden, halbnackten Männern, Gesetzlosen mit Fackeln und Schwertern, die lachten, raubten und mordeten.
    Die Erinnerung lässt Scarry in ihr Lachen einstimmen. Einige seiner Pilgerfreunde hatten zu entkommen versucht, aber er hatte wie betäubt dagestanden, weniger aus Angst als voller Staunen darüber, wie die Mörder alle Zurückhaltung hinter sich ließen, die den Christenmenschen auferlegt war.
    Ihr Anführer – Wolf, mein Liebling, meine Lust – hatte sein Schwert in den Leib des Priors gebohrt, und als er diesem das juwelenbesetzte Kreuz vom Hals riss, grinsend in Scarrys Augen geblickt.
    Sie erkannten sich gleich wieder, zwei Seelen, die schon lange, bevor der Große Heuchler ans Kreuz geschlagen worden war, miteinander verbunden gewesen waren. Ein Blitz hatte die Pustel platzen lassen und Scarry von seiner Qual befreit.
    Die Aufforderung war ergangen. Scarry kann sich nicht mehr erinnern, ob sie aus Wolfs Mund kam oder von seinem neuen Gott ausgesprochen wurde, der sich im Gewirr von Jauchzern und Schreien, von Schrecken und Lust manifestierte.
    »Komm mit mir, und ich werde dich befreien!« Welche Lästerung, welch glorreicher Umsturz. Welche Befreiung.
    Und er, Scarry, folgte der Aufforderung. Den Blick dieses wilden, wundervollen Wesens mit seinem haltend, hob er das Knie und ließ seinen Stiefel auf das Gesicht des wimmernden Priors niedergehen, um den alten Narren und seinen Gott für immer zum Schweigen zu bringen.
    Anschließend war er mit Wolf davongetanzt, die anderen mit der Beute hinter sich, hatte die Straße gegen den duftenden, weglosen Wald eingetauscht, wo sie sich gegenseitig den Honig aus den Körpern saugen konnten und wo es kein Gesetz bis auf das ihre gab, keine Riten bis auf das Lobpreisen des satanischen, laubgrünen, ziegengestaltigen Gottes, dem sie folgten. Männliche Mänaden waren sie gewesen,
ad gloriam
, die gehörnten Bestien einer gehörnten Gottheit, die Tier wie Mensch vernichteten, vergewaltigten, raubten, ohne Unterlass, unaufhaltsam, gefürchtet, entfesselt. Ihre Psalmen waren die Schreie der Sterbenden, ihr Altar eine Schlachtbank.
    Bis sie kam. Sie und die beiden Trottel auf der Suche nach verlorenen Gefährten, die im modernden Laub einer Lichtung verrotteten, auf der sie vor Tagen gelandet waren, von ihm und Wolf dort hingeworfen.
    Er kann sie auf dieser Lichtung stehen sehen, harmlos, wertlos wie alle Frauen, und doch jene göttliche, lustvolle, frohlockende Wut entzündend, die mit ihrem Fleisch gestillt werden musste, genau wie er sie an seiner Mutter stillen wollte.
    Mirabile visu
. Ein Kitz, im Dickicht gefangen.
    »Erst du, dann ich, äh?«, sagte Wolf liebevoll.
    »Du und dann ich, Wolf, du und dann ich.« So war es immer gewesen.
    Und während Scarry herumtänzelnd zusah, näherte sich Wolf der Opfergabe und erklärt ihr, was mit denen geschehen war, die sie suchten. Welche Befriedigung sie bedeutet hatten, bevor sie gestorben waren. Erzählte ihr vom Taumel ihres Jammerns. Von Lämmern auf der Schlachtbank.
    Doch dann plötzlich verband unglaublicherweise ein Stück Eisen sie und Wolf, kein Penis, sondern ein Schwert, das sie verborgen bei sich getragen hatte. Es verband die beiden, das Heft in ihrer Hand, die Klinge in Wolfs Brust.
    Scarry reitet dahin, weint und flüstert die Worte, die er hervorgebracht hat, als er den hustenden, gurgelnden geliebten Körper in seinen Armen hielt: »
Te amo
. Verlass mich nicht, mein Lupus!
Te amo. Te amo.«
Aber Wolf starb in dieser Nacht, und mit ihm das gehörnte Wesen.
    Später schickten sie Soldaten, die den Wald säuberten und Teile von Wolfs Meute an den Bäumen aufhängten.
    Scarry aber nicht. Wolf hatte ihn zum Waldläufer gemacht, und so entkam er, um diese Frau zu stellen und zu töten, diese Frau, die ihn aus dem Garten Eden vertrieben hatte. Aber sie war zu gut bewacht gewesen.
    Am Ende, einsam und verlassen, ein verlorenes Lamm, war er gezwungen, unter den Schirm des triumphierenden christlichen Gottes zurückzukehren. Er gab vor, dem Angriff der Gesetzlosen auf den Pilgerzug entkommen, durch die Grausamkeit und den Tod des Priors jedoch so verstört gewesen zu sein, dass er vorübergehend zu einem Einsiedler in der Wildnis geworden sei und den Herrn um Gnade für sich und die Seelen der Toten angefleht habe.
    Sie glaubten ihm. Sie belohnten ihn sogar für seine Frömmigkeit. Dank seine Verbindungen erhielt er Verantwortun, er hatte sich als reine Seele dargestellt.
    Und
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