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Der Fluch der Halblinge

Der Fluch der Halblinge

Titel: Der Fluch der Halblinge
Autoren: Prisca Burrows
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bekam sie überreicht und durfte sie ein Jahr lang behalten. Meister Ian besaß eine besonders wertvolle Ausgabe, für die ihm schon jede Menge Goldaugen geboten worden waren. Aber Gold interessierte ihn nicht weiter; er hatte ein gutes Auskommen und benötigte nicht mehr. Bücher waren ihm viel wichtiger als Juwelen.
    »Ich danke Euch, Herr«, sagte Fionn förmlich. Meister Ian mochte es hassen, so viel er wollte – Onkelchen Fasin war noch viel unnachgiebiger in dem, was Anstand betraf, und zog jedem nachlässigen Kind, das nicht genau die Regeln befolgte, ordentlich den Hosenboden stramm. Mit der Zeit war der Benimm so tief verwurzelt, dass die Heranwachsenden gar nicht mehr anders konnten.
    Meister Ian winkte ab, sagte aber nichts; er wusste gut genug, warum Fionn dabei blieb. »Also, Fionn, was ist der Grund für deine Trauer an solch einem besonderen Tag, an dem noch dazu die Sonne scheint?«
    »Ach, es ist nur wie gewohnt mein Aussehen, Herr«, murmelte Fionn und stellte sich wieder vor den Spiegel, versuchte seine Haare in Unordnung zu bringen und schaffte es nicht; es gelang ihm nie. Ein Schopf, »eines Elbenkindes würdig«, hatte mal ein Besucher seines Herrn gesagt. Leichte Hoffnung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. »Liegt es vielleicht daran, dass ich Elbenblut in mir trage, Herr?«
    Meister Ian ließ sich umständlich in einem Sessel nieder, weil ihm das dauernde gebückte Herumstehen zu anstrengend wurde. Er kicherte leise. »Weder dein Vater noch deine Mutter tragen Elbenblut in sich, also würde ich sagen: Nein, daran liegt es nicht. Würde mich auch wundern, die Elben geben sich ja kaum mit Meinesgleichen ab.«
    »Aber was ist es dann?« Unglücklich fasste Fionn sich ans bartlose Kinn. Ein paar kümmerliche Haare wuchsen dort, die er regelmäßig mit dem traditionellen Messer, das jeder Bogin, ob weiblich oder männlich, zur Geburt bekam und sein Leben lang trug, wegrasierte, weil es einfach zu lächerlich aussah. Auf seiner Oberlippe zeigte sich nur leichter Flaum, den zu entfernen nicht einmal lohnte. »Werde ich je normal aussehen?«
    »Ich vermute mal, es liegt daran, dass deine Mutter nicht aus Sìthbaile stammt«, überlegte Meister Ian. »Ich habe sie ja damals von einem reisenden Gelehrten gekauft. Ihre Papiere schienen in Ordnung zu sein, aber von wo genau sie jetzt herkommt, weiß ich eigentlich gar nicht. Ich könnte nachsehen, bin nur nicht sicher, ob ich den Vertrag noch finde.«
    »Aber meine Mutter sieht doch aus wie alle anderen Bogins, und mein Vater auch. Ich bin der Einzige, der völlig aus der Art fällt!«
    »Nun, an irgendwas muss es ja liegen. Was machst du dir überhaupt für Gedanken, Junge! Du solltest dich freuen, etwas Besonderes zu sein.«
    »Gar nicht, Herr. So werde ich Cady doch nie für mich gewinnen können …«
    »Ah, so ist das also.«
    Meister Ian war alt, aber vergessen hatte er nicht. Er war einmal verheiratet gewesen, aber seine Frau war vor langer Zeit im Kindbett gestorben, und er hatte seine Tochter ohne Frau aufgezogen. Nun war sie selbst verheiratet, und der Meister war allein geblieben. Er setzte sich auf. »Hast du denn schon mit Cady darüber gesprochen, dass du sie magst?«
    »Bei allen Elbenschwüren, natürlich nicht!«, wehrte Fionn erschrocken ab. »Dann wüsste sie es ja!«
    »Ich glaube, genau darum geht es«, meinte sein Meister. »Du bist ja noch kurzsichtiger als ich. Soll ich dir mal meinen Zwicker leihen, damit du klarer siehst?«
    »Ach, Herr, das hat doch alles keinen Zweck.« Fionn gab es auf. Das einzige wirklich wirksame Mittel wäre ein Hexengebräu, das ihn in jemand anderen verwandelte. Aber dazu würde es nie kommen, denn dazu müsste er das Haus verlassen und in die Stadt gehen – das durfte er zum einen nicht, und zum anderen besaß er ja überhaupt kein Geld. Hier im Haus brauchte er keines. Das oberste Gesetz der Àrdbéana lautete, dass jeder Sklave bestmöglich versorgt und eingekleidet werden musste. Verstöße wurden schwer geahndet, wie ein Hochverbrechen.
    Sein Herr wiegte den Kopf. »Wer weiß. Ich habe nämlich noch eine Überraschung für dich. Anlässlich deines Geburtstages, und weil ich heute Gäste erwarte, darfst du am Abend ein Fest mit deinen Leuten feiern.«
    Fionn fuhr herum. »Wirklich?«, schrie er freudig auf. »Oh, Herr, ich danke Euch, das ist … das ist das schönste aller Geschenke!«
    »Mhmja, natürlich unter der Bedingung, dass meine Gäste nicht darunter zu leiden haben«, schränkte der
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