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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger
Autoren: Willy Russell
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both of us … to die by your side, the privilege, the pleasure is mine! Das soll nicht morbide sein, Raymond? Nicht mor- Oh Mother, I can feel the soil falling over my head! Heaven knows how miserable I feel !«
    »Heaven knows I’m miserable now!« , korrigierte ich.
    »Das ist ja auch kein Wunder, verdammt noch mal, Raymond«, sagte sie. »Mir ist selber ganz elend, nachdem ich mir das angehört hab. Nicht morbide? Man kriegt ja direkt Lust, sich umzubringen. Und es ist nicht nur morbide«, sagte sie, »es ist auch kriminell: Lifting some lead off the roof of the Holy Name church! Was ist denn das für ein Song, Raymond?«
    »Ein toller Song!«, sagte ich. »Du verstehst ihn bloß nicht. Und er ist nicht auf die Art morbide, wie du denkst! Morbide zu sein heißt nicht, dass man unglücklich ist. Man kann total glücklich sein, wenn man traurig ist – so wie Morrissey, so wie ich!«
    Ich ging wieder ins Wohnzimmer, sammelte alle meine Kassetten ein und steckte sie in die Hüllen zurück. Als ich mich umdrehte, stand meine Mam da und schüttelte besorgt den Kopf. Ihre Lippen zitterten.
    »Raymond, mein Junge«, sagte sie, »ich dachte, die Phase sei längst vorbei; ich dachte, das hätten wir hinter uns. Ich hatte schon geglaubt, du seist jetzt ein normaler Junge; ich hab gedacht, du bist normal geworden, Raymond.«
    Und genau das konnte ich einfach nicht mehr hören. Ich wusste, es war der Wunsch meiner Mam, dass ich normal sein sollte. Nichts freute sie so sehr, wie wenn ich mich den andern anpasste.
    Dauernd machte sie irgendwelche Anspielungen. Jedes Mal, wenn im Fernsehen die NatWest-Werbung mit diesem dämlichen Studenten kam, sagte sie: »Wär das nicht mal eine nette Frisur für dich, Raymond?«, oder »So ein Jackett würde dir auch stehen, Raymond, ganz bestimmt!«
    Der größte Wunsch meiner Mam war, dass ich eines Tages wie durch ein Wunder aus meiner Verpuppung schlüpfen und mich zu dem entwickeln würde, was unter der Brechreiz erregenden Bezeichnung junger Mensch bekannt ist. Aber ich würde nie ein junger Mensch werden. Ich hasse junge Menschen; sie haben Studentenausweise, lachen zu schrill und stehen auf Steve Wright und seinen kümmerlichen Haufen. Ich wär lieber ein toter Mensch als ein junger Mensch. Unterm Strich ist da vermutlich sowieso kein großer Unterschied.
    Deshalb sagte ich zu meiner Mam: »Ich bin nicht normal! Ich will nicht normal sein! Ich hasse Normalität! Ich geh jetzt in mein Zimmer.«
    Als ich die Tür zumachte, hörte ich sie noch rufen: »Du kannst nicht dein ganzes Leben in deinem Zimmer zubringen, Raymond!«
    Aber ich hätte eigentlich ganz gern mein Leben in meinem Zimmer zugebracht. Ich mag mein Zimmer. Und vielleicht wär ich noch immer in meinem Zimmer, wenn meine Mam damals nicht zu meinem Drecksonkel Jason gelaufen wär. Dann wär alles wieder gut geworden. Ich wär irgendwann wieder aus meinem Zimmer rausgekommen und hätte meine Mam gefragt, ob es jetzt Toast und Milchkaffee gibt. Und dann hätte sie mir einen ihrer Blicke zugeworfen – à la total genervte Kassiererin -, aber am Ende wär alles wieder gut geworden. Wir hätten uns mit Toast und Milchkaffee vor die Glotze gehockt und alles wär wieder gut gewesen.
    Aber es kam anders, denn als meine Mam von meinen verabscheuenswürdigen Verwandten zurückkehrte, stand sie bloß da, zog nicht mal den Mantel aus und starrte mich voller Argwohn und Zweifel an.
    Ich fragte: »Wie wär’s mit Toast und Milchkaffee?«
    Aber sie starrte einfach durch mich hindurch. »Ich hab schon bei Onkel Jason Kaffee getrunken«, sagte sie. »Raymond, bist du homosexuell?«
    Ich sah sie an. »Dann also nur Toast?«, fragte ich.
    »Ich will keinen Toast, Raymond!«, sagte sie. »Tante Fay hat Schinkenpfannkuchen gemacht. Antworte mir! Ich will die Wahrheit wissen, bist du homosexuell?«
    »Wer hat das denn behauptet?«, fragte ich sie.
    »Das geht dich nichts an. Ich will nur wissen, ob es wahr ist.«
    Ich sagte nichts. Ich dachte bloß daran, dass meine Mam mich verraten und mit meinem Drecksonkel Jason über mich geredet hatte; obwohl sie wusste, dass dieser Schuft die Satellitenschüssel meiner Oma gestohlen hatte. Ich sah meine Mam vor mir, wie sie auf Tante Fays glatt gebürstetem Dralon-Puff saß, eingezwängt zwischen meinem schäbigen, schuftigen Onkel auf der einen Seite und meiner fiesen Tante Fay auf der andern, während sie zu dritt Schinkenpfannkuchen mampften und über meine sexuelle Veranlagung spekulierten.
    Ich
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