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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger
Autoren: Willy Russell
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auch gern nach Grimsby fahren? Meinst du, ich wär nicht auch gern so ein fauler Student mit Gitarre, hässlicher Frisur und so einem blöden T-Shirt am Leib?«
    Das fand ich nun doch ausgesprochen unfreundlich. Deshalb erwiderte ich: »Ich bin kein Student!«
    Aber er sah mich nur kopfschüttelnd an und dann drohte ein Mann in der Schlange, mir die Saiten von der Gitarre zu reißen und mich mit ihnen zu erdrosseln, falls ich nicht schleunigst verschwinden würde. Er hatte einen bepissten Haarschnitt und ein brutales Glitzern in den Augen und gehörte offenbar zu den Leuten, die schon zum Frühstück Bier trinken. Also packte ich mein Zeug, ging rüber zum Krawatten-Shop und dachte über meine missliche Lage nach. Ich hatte nur noch ein paar Pfundmünzen und ein 20-Pence-Stück, und damit kam ich nicht weit. Ich überlegte, ob ich mir das fehlende Fahrgeld mit Straßenmusik verdienen sollte, aber eigentlich kann ich nur meine eigenen Songs und noch ein paar von dir, Morrissey. Und in der Bahnhofshalle wimmelte es von Kleider-machen-Leute-Anzügen, Spießern und Gestrandeten, die sich aus der vergangenen Nacht in den Sonntagmorgen gerettet hatten; ich kam zu dem Schluss, dass dieses Publikum wohl kaum geneigt sein würde, sich für »Girlfriend In a Coma« finanziell erkenntlich zu zeigen. Außerdem haben sich meine Gitarrenauftritte bisher strikt auf mein Zimmer beschränkt.
    Also sprach ich Leute an, ob sie vielleicht zufällig ein paar Schillinge übrig hätten. Es war kein spektakulärer Erfolg. Ein Typ im Anzug meinte: »Aber selbstverständlich, junger Freund. Alles Weitere können wir ja dann auf der Herrentoilette besprechen.«
    Ich machte, dass ich wegkam, stellte mich vor den Socken-Shop und fragte eine elegant gekleidete Frau, ob sie vielleicht ein paar Pfund für mich übrig hätte. Sie nannte mich einen »Parasiten des Wohlfahrtsstaats« und klatschte mir eine anspruchsvolle Zeitung auf den Kopf. Ich machte, dass ich weiterkam und stellte mich unter die Uhr. Aber meine Pechsträhne riss nicht ab. Etliche Leute, die ich um etwas Geld für die Fahrkarte nach Grimsby bat, ignorierten mich einfach; bis auf einen Klugscheißer, der wissen wollte, ob ich auch American Express akzeptiere! Und plötzlich fauchte mich ein pickliges Mädchen mit Stoppelschnitt an, das sei ihr Platz, ich solle gefälligst verschwinden, sonst würde sie mir in die Eier treten. Da sie Springerstiefel trug, beschloss ich, lieber Feierabend zu machen und mir für meine letzten paar Schilling etwas zum Essen zu kaufen. Ich schaute mich in der Bahnhofshalle um, aber da man hier vorwiegend auf Fleischfresser eingestellt schien, hatte ich meine Zweifel, ob ich hier, in den Tempeln der nährwertkastrierten Fastfood-Kultur, irgendwas Vegetarisches auftreiben würde. Doch dann, als ich an einem Imbiss mit dem Namen Burger-Banquet vorbeikam, sah ich einen »Pikanten Bohnen-Burger« abgebildet.
    »Ist der Pikante Bohnenburger vegetarisch?«, fragte ich die Verkäuferin.
    Sie sagte: »Natürlich ist er vegetarisch, sonst hieße er ja nicht Pikanter Bohnenburger!«
    »Aha«, erwiderte ich. Und ich schaute zum Fotodisplay über der Theke hinauf. Trotz seiner angeblich vegetarischen Beschaffenheit wirkte der Pikante Bohnenburger etwa so appetitlich wie flach gepresstes Styropor. Doch eingedenk dessen, dass der Arme nicht wählerisch sein darf, sagte ich: »Na gut, dann nehme ich eben den Pikanten Bohnenburger.«
    »Geht nicht«, sagte sie.
    »Wieso?«, fragte ich.
    »Weil heute Sonntag ist«, antwortete sie. »Sonntags ist der Pikante Bohnenburger nicht im Angebot. Samstags übrigens auch nicht. Den Pikanten Bohnenburger gibt’s nur werktags. Nicht am Wochenende.«
    Ich sah sie stirnrunzelnd an und sagte: »Aber das ist doch bekloppt! Man ist doch nicht nur werktags Vegetarier!«
    Sie starrte finster zurück, sagte sehr laut »Na, na!« und fügte dann hinzu: »Sie halten hier den ganzen Betrieb auf.«
    »Tut mir Leid«, erwiderte ich. »Ich wollte den Betrieb nicht aufhalten. Ich hab mich nur erkundigt, warum es den Pikanten Bohnenburger offensichtlich weder samstags noch sonntags gibt.«
    Jetzt seufzte sie und ließ ihre Chips-Schippe sinken. Sie kniff die Augen zusammen und fuhr mich gereizt an: »Wir bieten den Pikanten Bohnenburger samstags und sonntags deshalb nicht an, weil dieser verdammte Pikante Bohnenburger nicht in die Produktpalette passt, die auf das angemessene Ambiente für ein Wochenend-Freitzeiterlebnis zugeschnitten ist!«
    Wir
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