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Der fliegende Weihnachtskater

Der fliegende Weihnachtskater

Titel: Der fliegende Weihnachtskater
Autoren: Andrea Schacht
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Ewigkeiten länger. Wohin?«

Gerettet
     
     
    Schon wieder Geheul und blaue Lichtblitze und Geschwanke und Geschaukel. Aber ich konnte es ertragen. Ja, ich ertrug es ohne Murren. War auch nur eine kurze Strecke, dann setzte man mich endlich ab. Janinas Wohnung.
    Ich schüttelte mich erst einmal gründlich. Dann begann ich, mein klebriges, feuchtes Fell zu putzen. Musste das aber unterbrechen, weil plötzlich eine Schüssel mit lauwarmer Sahne vor mir stand. Als die leer war, war ich bereit, meine Begleiter wieder wahrzunehmen.
    Amita war weg. Aber sie war nicht weit fort, das spürte ich mit diesem neuen Sinn, der mich mit ihr verband. Ein weiterer Mann war gekommen und brummelte beruhigend auf Janina ein.
    »Ein paar Tage Ruhe, gutes Futter und Betreuung, das sollte schon ausreichen. Vielleicht bekommst du eine Erkältung, Mäuschen. Ich lass dir ein Rezept hier. Und wann immer du mich brauchst, ruf mich an.«
    »Mach ich, Doktor Herzog. Gehen Sie bitte zu Amita hoch, sie war vorhin auch ganz wackelig.«
    »Natürlich.«
    Dann beugte er sich über mich und kraulte mich zwischen den Ohren.
    Ups – wie kam der dazu?
    »Deine Katze wird sich sicher auch um dich kümmern, Janina. Diese Tiere können das sehr gut.«
    Janina nickte ernsthaft.
    »Ja, können sie. Aber Shardul gehört Amita. Papa, bring ihn hoch zu ihr.«
    Worauf der mir zuvorkommend die Tür öffnete. Ich war die Treppe schneller oben als die beiden Männer und maunzte schon vor der Wohnungstür.
    Amita machte auf.
    Zerrupft sah sie aus in ihrem dicken Morgenmantel. Und sie sah mich ungläubig an.
    »Shardul?«
    Dann kniete sie neben mir nieder.
    Ich drückte meinen Kopf an ihren Arm.
    »Ich bin so durcheinander«, murmelte sie.
     
    Der Kinderarzt war mitfühlend, fand Amita. Sie ließ die Untersuchung über sich ergehen, dankte ihm für seine aufmunternden Worte und die Versicherung, dass sie sich körperlich in guter Verfassung befand, trotz des Sprungs ins eisige Wasser. Er empfahl heißen Tee und schrieb ihr seine Telefonnummer auf.
    »Ich muss meine Vorgesetzten anrufen. Und die Fluggesellschaft, und …«
    »Gewiss müssen Sie das. Aber nicht jetzt, Frau Rosenhag. Morgen werden Sie weit besser in der Lage sein, Bericht zu erstatten.«
    »Aber …«
    »Sie sollten den Abend nicht alleine verbringen, nicht wahr? Haben Sie Freunde oder Familie, die vorbeikommen können?«
    Sie schnaubte leise: »Es ist Heiligabend.«
    »Ganz genau. Und gerade deshalb. Freunde und Familie sollten gerade dann für einen da sein, wenn man ein erschütterndes Erlebnis hinter sich hat.«
    »Meine Eltern in Kanada, meine Großmutter in Jaipur, mein Bruder in Rom – sie würden alle herbeieilen, wenn sie es wüssten.«
    »Mhm – ich verstehe. Und ein Freund? Eine Freundin?«
    »Bei ihren Verwandten, in ihren Familien, auf den Malediven, in Mailand, in der Schweiz.« Dann schüttelte sie den Kopf und versuchte, den gütigen Arzt anzulächeln. »Ich hab meinen Kater.«
    »Immer ein Trost, ich weiß. Na gut, dann überlasse ich Sie seiner Obhut. Aber scheuen Sie sich nicht, mich anzurufen, wenn Sie glauben, Hilfe zu brauchen.«
    »Danke. Gehen Sie nur. Ihre Familie wird Sie schon vermissen.«
    »Meine Familie ist Kummer gewöhnt.«
    Zu ihrer geistigen Verfassung sagte er nichts mehr – und sie erwähnte ihr ungewöhnliches Erlebnis auch nicht. Aber als er endlich gegangen war, setzte sie sich erschöpft auf ihr Sofa, zog eine Decke über sich und schloss die Augen.
    Shardul.
    Ausgerechnet Shardul! War es wirklich Shardul gewesen, den sie aus dem See gefischt hatte?
    War das wirklich Shardul, der gerade auf ihren Bauch sprang, tretelte und sie dabei anschnurrte? Shardul, der Unnahbare?
    Er tapste noch ein Stück höher und legte sich auf ihrer Brust zu einem Müffchen zurecht.
    Shardul, der Abweisende?
    Er brummelte nur lauter, als sie ihre Hand um sein Hinterteil legte.
    Shardul, der Unwirsche?
    War er es wirklich oder war er ein Produkt ihres überdrehten Hirns.
    Wäre es Meena gewesen, sie wäre bereit, alles das, was geschehen war zu glauben. Mit Meena, der sanften, weißen Katze, die sie zwanzig Jahre ihres Lebens begleitet hatte, hatte sie ein inniges Verstehen verbunden. Als Kind hatte sie sich immer ein feines, silbriges Fädchen vorgestellt, das sie beiden verbunden hatte. Und auch später gefiel ihr diese Vorstellung, auch wenn andere das als esoterischen Quatsch abtaten. Doch als Meena, müde und alt, vor fünf Jahren in ihren Armen eingeschlafen war, da war der
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