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Der fiese Fall des Hannibal

Der fiese Fall des Hannibal

Titel: Der fiese Fall des Hannibal
Autoren: Harald Tonollo
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Richtung Esstisch.
    »Ach so!« Pits Gesicht lief rot an. »Also, hallo, und vielen Dank für die Einladung!«
    Herr Rottentodd, der die Szene mit abwesendem Blick beobachtet hatte, nickte Pit nun freundlich zu. Er strich mit der linken Hand über seinen dünnen Spitzbart und sagte förmlich, als habe er es mit einem Geschäftskunden zu tun: »Einen schönen guten Tag, junger Mann!« Dann wandte er sich an seine Tochter. »Du hast deinen Gast über unsere Familie … aufgeklärt?«
    »Klar doch!«, antwortete Polly und forderte Pit auf sich zu setzen.
    Kaum stand dieser neben dem für ihn vorgesehenen Stuhl, kam Bruno, der nicht mehr ganz junge Butler, mit zittrigen Beinen aus einer Ecke auf ihn zugewackelt und zog den schweren Polsterstuhl zurück.
    »D…danke!«, stotterte Pit unsicher und fragte sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, zu bleiben. Alles war so fremd hier: die verwelkten Narzissen in der verrosteten Raviolidose; die zerkratzten Teller mit den dunklen Rändern; das abgewetzte Silberbesteck; die verblassten Messingkelche, die statt der Gläser auf dem Tisch standen; die schwarzen offensichtlichschon mehrmals benutzten Stoffservietten. »Wo ist eigentlich euer kleiner Hund?«, fragte Pit, um seine Befangenheit zu überspielen, und sah sich im Zimmer um.
    Polly zuckte mit den Schultern. »Hannibal? Sicher bei Karla. Dort fällt immer mal was für ihn ab.«
    Wie auf ein Stichwort drang gleich darauf Karlas dröhnende Stimme aus der Küche. »Bruno, kannst servieren Essen jetzt. Ratten fertig, Ratten gar!«
    Pit schaute Polly mit großen Augen an, als Bruno langsam mit kleinen Schritten das Esszimmer verließ.
    »Über das Essen haben wir noch nicht so richtig gesprochen«, nuschelte Polly, als sie bemerkte, dass ihre Mutter sie mit hochgezogenen Brauen ansah.
    »Das ist aber nicht besonders klug, findest du nicht?«, meinte Prospera Rottentodd und trommelte mit ihren langen, spitzen Fingernägeln auf die fleckige Tischdecke.
    Polly wandte sich leise an Pit. »Meine Familie isst kein Schweinefleisch und auch kein Rindfleisch, stattdessen …«, sie machte eine Pause, »… eher
kleinere
Tiere.«
    »Zum Beispiel Ratten«, sagte Pampe – und Palme ergänzte genussvoll: »Und Maden und Blutegel und …«
    »Pamphilius und Palmatius!«, rief Herr Rottentodd und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Würdet ihr unserem Gast gegenüber wohl etwas rücksichtsvoller sein!«
    »Jaja«, meinte Pampe. Mit dem Ärmel seines löchrigen Pullis fuhr er sich über die juckende Nase. »Pit versteht das schon.«
    »Klar doch«, sagte dieser – um Pampe in Schutz zu nehmen. Er hatte jedoch nicht den blassesten Schimmer, worum es eigentlich ging.
    Bruno kam ins Esszimmer gewankt. Er stellte ein Tablett auf einen Beistelltisch, auf dem ein rostiger Topf stand. Diesen hievte er umständlich auf die Mitte des Tisches. »Das Rattenragout!«, verkündete er feierlich.
    Pit wurde kreidebleich. »Das … das mit dem Ratten…ragout war kein Scherz?«, stammelte er.
    Polly schüttelte den Kopf und schaute Pit schuldbewusst von der Seite an.
    »Und hier Extrawurste für kleines Pollyxenia und Gast von kleines Pollyxenia!«, röhrte Karla und wuchtete zwei Teller ins Esszimmer. »Mit Brei von die Kartoffel und rotes Kraut!«
    »Bratwurst mit Kartoffelbrei und Rotkraut«, übersetzte Polly für Pit. »Klingt doch nicht schlecht, oder?«
    »Klingt nicht schlecht«, wiederholte Pit. »Nur …«
    »Nur was?«, fragte Polly.
    »Mir ist gerade eingefallen, dass ich sofort wegmuss.«
    »Waaaaaaaaaas??!!« Karla zog das Wort in die Länge, bis sie wieder einatmen musste.



»Tut mir leid«, erwiderte Pit kleinlaut.
    Polly schluckte. »Schon okay … Ich bringe dich zur Tür …«
    »Nein, nein … lass mal, ich finde schon allein raus«, erwiderte Pit schnell und erhob sich. »Also … vielen … äh … Dank jedenfalls.«
    »Bis morgen in der Schule dann«, murmelte Polly.
    »Klar! Tschüss!«
    Kaum hatte Pit das Esszimmer verlassen, funkelte Polly Pampe und Palme böse an. »Das habt ihr ja ganz toll hingekriegt!«, keifte sie. »Das war mein einziger Freund hier in diesem verdammten Nest!«
    »Was können wir denn dafür?«, verteidigte sich Pampe. Er nahm die Schöpfkelle und tauchte sie in den Topf mit dem Rattenragout.
    In diesem Moment hörten sie einen markerschütternden Schrei. Sofort sprangen Polly und die Zwillinge auf und rannten in den Flur.
    »Oh nein!«, rief Polly entsetzt. »Pit! Das war die falsche
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