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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Wandlung zu wundern. Er gab seinen Leuten den Befehl, die eigenen Verwundeten wegzubringen, doch da hob Mera die Hand.
    »Halt! Zuerst will ich sehen, was ich für diese Männer tun kann!« Bis zu diesem Moment waren die Gurrländer für sie Feinde gewesen. Jetzt aber hatten Girdhan und sie den Platz auf dem Feuerthron eingenommen und waren für dieses Volk verantwortlich. Mera setzte ihre Heilerfähigkeiten ein und schöpfte dabei aus der Kraft, die ihr durch den Feuerthron zuströmte. Sie musste die Verletzten nicht einmal mehr selbst berühren. Es reichte, wenn sie sie anblickte und ihren Körpern den Befehl gab, die Wunden zu heilen.
    Die Gurrländer begriffen im ersten Augenblick nicht, was mit ihnen geschah. Als sich jedoch immer mehr von ihnen erhoben und zuletzt nur noch die Toten liegen blieben, wirkten sie wie staunende Kinder. Trotzdem sie manipuliert worden waren, wussten sie, dass der Kaiser, dem sie bisher hatten gehorchen müssen, jeden noch so kleinen Fehler gnadenlos geahndet hatte. Das Handeln der neuen Herrin hingegen erfüllte sie mit Dankbarkeit.
    Während sie den Raum verließen, verneigten sie sich immer wieder, und der Kommandant der Garde kehrte selbst mit einemgroßen Tablett zurück, auf dem zwei Tassen und ein Krug mit dampfendem Vla standen. Es sah zwar etwas seltsam aus, ihn in voller Rüstung den Lakaien spielen zu sehen, doch er schien diese Aufgabe nicht für unwürdig zu halten. Er schnupperte sogar genussvoll, als er den Vla in die Becher füllte. Girdhan sah es und befahl ihm, in die Küche zu gehen und selbst eine Tasse Vla zu trinken.
    Der Mann salutierte und marschierte scheppernd davon. Mera sah ihm kopfschüttelnd nach und wandte sich dann an die Runi, die das Ganze mit großen Augen verfolgt hatten. »Wie kann ich euch danken?«
    »So einen Zauber, der unsere Verletzten heilt, könnten wir gebrauchen. Aber die schwarze Magie, die dir der Thron verleiht, ist leider Gift für uns!« Reodhilan seufzte. Sie war vielfach verwundet worden, doch sie würde es überstehen. Etliche ihrer Gefährten aber würden ohne Hilfe den Weg zu Meandir antreten müssen.
    Mera sah die Verwundeten an und sagte sich, dass ihre magische Farbe ja eigentlich Blau war, und die konnte sie vielleicht doch einsetzen. Vorsichtig nahm sie das Schwarz des Thrones in sich auf, um neue Kraft zu schöpfen, und merkte erleichtert, wie es von ihrem eigenen Blau überlagert wurde. Lächelnd winkte sie Hekendialondilan zu sich, die blutend neben ihrer schwer verletzten Mutter kauerte, und schloss sie in die Arme. Sofort schlossen sich die Wunden der jungen Runi, und das Fleisch wuchs wieder zusammen, bis nur noch kleine, rosige Flecken zu sehen waren.
    Erleichtert ließ Mera ihre Freundin los und zeigte auf Hekerenandil. »Bring deine Mutter zu mir.«
    Auch diese Heilung gelang, aber es war eine mühsame Arbeit. Anders als bei den Gurrländern musste sie jeden verletzten Runi einzeln berühren und heilen. Doch die Macht des Thrones verhinderte zum Glück, dass ihre eigene Kraft zu früh versiegte. Als Mera Reodhilan behandelt hatte, die freiwillig als Letzte an die Reihe gekommen war, schnaufte sie erleichtert durch und trank nun erst den kalt gewordenen Vla.
    Reodhilan musterte sie mit unsicherer Miene und wies dann auf einen Runi, der reglos am Boden lag und wie tot wirkte. »Wirst du auch ihm helfen? Die Schwärze, die noch in ihm ist, wird verhindern, dass er den Weg zu Meandirs Seelendom findet. Daher wird er als Totengeist dahinvegetieren müssen, bis er schließlich erlischt.«
    Mera starrte die verkrümmte Gestalt an, die unter einem schwarzen, von Argos Funken stark durchlöcherten Umhang auf dem Boden lag. Für einige Augenblicke überwog in ihr der Hass auf den Mann, der nach Gurrland gekommen war, um seinem Volk zu helfen, aber der Verlockung des Thrones nicht hatte widerstehen können. Am liebsten hätte sie den Rest seiner Lebensflamme ausgelöscht. Sollte der, der so viel Unglück über die Inseln gebracht hatte, doch restlos zugrunde gehen!
    Hekerenandil legte ihr die Hand auf den Arm. »Menandhol war nicht wirklich der Kaiser, sondern Wassuram. Sein Geist hat Menandhol unterjocht und zu diesen furchtbaren Taten gezwungen. Bitte, hilf ihm! Mein Volk wird es dir ewig danken!«
    Der verzweifelte Appell rührte Mera. Gleichzeitig aber verspürte sie ein Gefühl in sich, das ihr bislang fremd gewesen war, nämlich Stolz. Sie allein vermochte etwas zu tun, das sogar die schier übermächtigen Runi nicht
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