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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron
Autoren: Carl Hanser Verlag
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passiert.«
    Der Blick des Fischers ruhte mit einem warmen Schimmer auf der immer noch ansehnlichen Frau. Meraneh war ein wenig füllig geworden, doch ihr Gesicht strahlte auch jetzt noch etwas Jugendliches aus, und ihr Verehrer begriff, dass sie zwar nicht so langlebig war wie ihre Mutter, aber ihre gute Figur und ihr glattes Gesicht viele Jahre länger behalten würde als andere Frauen.
    Für einen Augenblick verließ ihn der Mut. Dann aber sagte er sich, dass er dankbar sein würde, wenn ihm zwanzig Jahre des Glücks geschenkt werden würden, und erwiderte ihr Lächeln.
4
    Mera musste Timpo schließlich mit in ihr eigenes Bett nehmen, denn er hatte die Tür zur Kammer der Großmutter bereits angeknabbert. Zum Glück hatte sie es früh genug gemerkt, so dass der Schaden mit ein wenig Farbe behoben werden konnte. Doch auch bei ihr blieb das Tierchen unruhig, und sie musste es festhalten, damit es nicht loslief, um seine Herrin zu suchen. Zuletzt wickelte sie Timpo in eine Decke und presste ihn an sich.
    »Sei endlich brav! Ich möchte schlafen. Es ist spät geworden«, schimpfte sie, während das Fellbündel Töne von sich gab, die wie das schmerzerfüllte Weinen eines Kindes klangen. Mera unterdrückte den Wunsch, das Tier in den Keller zu stopfen, denn dort würde es fuchsteufelswild werden und die Fässer zu Kleinholz verarbeiten.
    »Entweder bist du jetzt still, oder ich klatsche dich an die Wand!« Die nicht ganz ernst gemeinte Drohung schien zu wirken, denn Timpo kuschelte sich eng an sie, stupste sie mit seiner kühlen Nase an und schloss die Augen. Kurz darauf fiel auch Mera in einen unruhigen Schlaf. Im Traum durchlebte sie noch einmal die Ereignisse dieses Abends. Der Ärger über den hochnäsigen Steuerschätzer nahm gespenstische Gestalt an, ebenso wie ihre Eifersucht auf Hannez, der in den Gedanken ihrer Mutter einen immer größeren Platz einzunehmen schien. Jemand, der wie sie selbst aussah, schalt sie ein dummes, kleines Kind und sagte ihr, dass sie die Mutter nicht zwingen durfte, den Rest ihres Lebens Witwe zu bleiben. Dann verschwand dieser Traumfetzen, und sie sah den Hofmagier in die Gaststube kommen. Anstatt auf die Großmutter kam er aber auf sie selbst zu und verneigte sich vor ihr.
    »Ihre erhabene Majestät, Königin Ilna V. ersucht Euch händeringend, ihr Reich zu retten!«
    Das waren nicht die Worte gewesen, die Torrix gesprochenhatte, flüsterte ihr die andere Mera zu, die immer noch durch ihren Traum geisterte. Dennoch sah sie sich selbst am Arm des Magiers das Gasthaus verlassen und die Sänfte besteigen. Die Träger hoben den reich verzierten Kasten hoch und schleppten ihn zum Fluss. Die alte Holzbrücke war jedoch viel zu schmal und zu instabil, um die Männer mit ihrer Last tragen zu können, und so stiegen sie auf ein großes Boot, das neben der Brücke am Ufer lag.
    Kaum hatte die Barke abgelegt, kam dichter, weißer Nebel auf und hüllte alles ein. Mera vermochte keine zwei Schritte weit zu sehen, und Torrix, der ihr direkt gegenübersaß, wirkte mit einem Mal ganz leblos. Als sie nach ihm tastete, hatte sie das Gefühl, als würde sie nicht lebendiges Fleisch, sondern Stein berühren. Gleichzeitig sah sie, dass die Ruder zwar noch ins Wasser ragten, aber die Männer, die sie führen sollten, sie längst nicht mehr bewegten. Auch die Sänftenträger, die neben den Holmen standen, wirkten so, als habe ein böser Zauber sie erstarren lassen.
    »Ein Zauber!« Mera fuhr hoch, sah die gewohnten Wände ihrer kleinen Kammer um sich und wollte schon aufatmen. Doch in dem Moment fiel sie erneut in den Albtraum zurück.
    Ein großes, eigenartig aussehendes Schiff löste sich aus dem Nebel und näherte sich dem Boot. Gestalten, die weiß leuchtenden Schattenrissen glichen, stiegen an Bord, öffneten die Sänfte und zogen zuerst Torrix und dann sie heraus. Nein, es war nicht sie, sondern ihre Großmutter, die ebenso steif und abwesend wirkte wie der Magier und mehr einer Statue ähnelte als einem lebenden Menschen. Sie schienen die unheimlichen Fremden gar nicht zu bemerken.
    Mera sah noch, wie Merala auf das fremde Schiff gebracht wurde, dann verschwand die Traumwelt um sie herum.
5
    Als Mera erwachte, stand die Sonne bereits hoch am Himmel, und aus der Küche drangen die gewohnten Geräusche zu ihr. Ihre Mutter schien gerade Teller und Näpfe in die Borde zu räumen. Erschrocken, weil sie so lange geschlafen hatte, sprang sie auf und schlüpfte in ihr Kleid. Noch barfuß lief sie hinaus
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