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Der Feind

Titel: Der Feind
Autoren: Vince Flynn
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weiter, die von Küche und Esszimmer heraus führte. Er vermutete, dass Gould morgens durch diese Tür kam und ging. Er drehte den Türknauf, und die Tür gab lautlos nach innen nach.
    Rapp trat vorsichtig über die Schwelle und schloss die Tür hinter sich. Die Tatsache, dass die Tür unversperrt war, zeigte deutlich, wie sicher sich die beiden fühlten. Nicht dass ein Türschloss ihn hätte aufhalten können, aber es hätte ihm die Aufgabe zumindest ein wenig erschwert. Rapp war inzwischen völlig genesen, zumindest was das Körperliche betraf. Sein Knie fühlte sich so gut an wie schon seit Jahren nicht mehr, und der gebrochene rechte Arm war längst verheilt. Er huschte über den dunkel gefleckten Holzboden und wandte sich nach rechts auf den Flur, der zu den Schlafzimmern führte. Es gab je eine Tür rechts und links sowie eine am Ende des Flurs. Die Türen an den Seiten waren geschlossen, während die am Ende des Flurs einen Spaltbreit geöffnet war. Rapp vermutete, dass Gould die Tür absichtlich nicht geschlossen hatte, um die beiden nicht zu wecken, wenn er zurückkam.
    Er legte die rechte Hand an die Tür und hielt seine Pistole feuerbereit. Langsam schob er die Tür auf und trat in das Zimmer ein. Die Frau lag auf ihrer Seite im Bett. Ihr schwarzes Haar hob sich von der strahlend weißen Bettwäsche ab. Das Baby war in ihren Armen geborgen, und ihre Lippen ruhten sanft auf dem Kopf des winzigen Kindes. Einige Augenblicke betrachtete er fasziniert dieses Bild, das so voller Schönheit und Frieden war.
    Rapp schüttelte den Kopf und konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe. Lautlos huschte er über den dunklen Holzboden und streckte die Waffe aus. Er setzte den Schalldämpfer an die linke Schläfe der Frau und sah, wie sie nach und nach die Augen aufschlug. Langsam drehte sie den Kopf, bis der Schalldämpfer auf ihre Stirn zeigte. Rapps rechte Hand glitt unter das Kopfkissen, um zu überprüfen, ob sie eine Waffe bei sich hatte. Sie hatte keine. Er sah in der Schublade des Nachtkästchens nach, die ebenfalls leer war.
    Sie blickte zu Rapp auf, fast so, als hätte sie ihn erwartet. »Danke, dass ich noch meine Tochter zur Welt bringen durfte«, sagte sie.
    Rapp trat einen Schritt zurück und forderte sie mit einer Geste auf, sich aufzusetzen. Sie tat es und nahm dann das schlafende Baby in ihre Arme. Rapp blickte auf die Uhr und griff nach dem Funkgerät.
    »Irgendein Zeichen von Gould?«, fragte er.
    »Er kommt wieder den Strand herauf. Er dürfte in zwei Minuten beim Haus sein.«
    Rapp ging zur Tür zurück und schloss sie bis auf den Spaltbreit, den sie zuvor offen gestanden hatte. Er überprüfte das zweite Nachtkästchen und fand eine 9-mm-Beretta, mit der er an die Seite des Bettes zurückkehrte, auf der die Frau lag. An dieser Seite führte eine Verandatür hinaus, die mit schweren Vorhängen verhangen war. Die Morgensonne drang an den Rändern herein und tauchte das Zimmer in ein gedämpftes Licht. Rapp ließ die Pistole auf die Frau gerichtet und zog dann den Vorhang so weit zurück, dass er hinausblicken konnte. Er stellte sich in die Ecke, sodass er die Tür zu seiner Linken und die Frau vor sich hatte, und wartete.
    Sie versuchte mehrere Male, zu ihm zu sprechen, doch er schüttelte den Kopf.
    »Wenn Sie wollen, dass Ihr Baby überlebt … dann halten Sie den Mund und sagen Sie kein Wort.«
    »Sie würden dieses Baby niemals töten, Sie würden überhaupt keinem Baby etwas antun.«
    Sie sagte es mit einer so ruhigen Überzeugung, dass Rapp überrascht war. »Nein, das würde ich nicht, aber ich würde Sie töten. Also, wenn Sie Ihr Baby aufwachsen sehen wollen, dann seien Sie still.« Rapp blickte auf seine Uhr und fügte hinzu: »Da draußen ist ein Scharfschütze, der beste, den ich je gesehen habe. Wenn Sie Gould warnen, wird er wegzulaufen versuchen, und er wird tot sein, bevor er den Strand erreicht.«
    Sie zuckte die Achseln. »Warum sind Sie dann hergekommen? Warum haben Sie ihn nicht schon vorher erschießen lassen?«
    »Weil ich kein Feigling bin. Weil ich nicht andere Leute die Arbeit für mich tun lasse. Ich regle so etwas persönlich. Ich jage keine Häuser in die Luft und töte keine Unschuldigen, die mir zufällig in die Quere kommen.«
    Claudia blickte betreten zur Seite.
    Rapp schaute noch einmal hinaus und schaltete dann das Funkgerät aus. Eine halbe Minute später spürte er, dass die Tür zum anderen Raum aufging. Die Schlafzimmertür bewegte sich ganz leicht durch den
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