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Der Feind

Titel: Der Feind
Autoren: Vince Flynn
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der Mensch, der seine Trauer vor so vielen Leuten zeigte, die er kaum kannte.
    Das neue Haus stand unfertig da, während die verkohlte Ruine des alten Hauses an der Chesapeake Bay, das Anna mit der Zeit lieb gewonnen hatte, nach der Explosion unverändert war. Coleman sprach mit Kennedy und schlug vor, einen Bagger hinzuschicken, um das Trümmerfeld zu beseitigen. Sie überlegte kurz und lehnte seinen Vorschlag schließlich ab. Es war Mitchs Entscheidung. Wenn er so weit war, würde er sich selbst darum kümmern. Und so warteten sie, dass Rapp aus seinem Schneckenhaus herauskam und sein Leben fortsetzte, doch es passierte nichts. Die Wochen und Monate vergingen, und Rapp mietete ein Haus in Galesville an der Bucht, nicht weit von der Stelle, an der Anna gestorben war.
    Fast jeden Tag fuhr er zu den Trümmern des Hauses, in dem sie beide gelebt hatten. Und jedes Mal kamen ihm die Tränen, wenn er sich an das erinnerte, was einmal war, und wenn er an das dachte, was nun nie sein würde. Er würde sein Baby nie zu sehen bekommen und es nie in den Armen halten können. Er würde nicht einmal erfahren, ob es ein Junge oder ein Mädchen geworden wäre. Er hatte sich von seiner geliebten Frau nicht einmal mehr verabschieden können. Im entscheidenden Moment hatte er sie nicht beschützen können, und das allein fraß ihn innerlich auf. Die Verzweiflung angesichts der jäh zu Ende gegangenen Träume und der brennende Wunsch, sie noch einmal in den Armen zu halten, in ihre wunderschönen grünen Augen zu blicken und den Duft ihres Haars einzuatmen, war schmerzhafter als alles, was er je erlebt hatte – aber noch schlimmer waren seine Schuldgefühle, die innere Überzeugung, für ihren Tod verantwortlich zu sein.
    Wenn er zur Arbeit fuhr, dann nur, um sich von Kennedy und Dumond berichten zu lassen, was sie Neues über die Killer herausgefunden hatten. Ansonsten ließ er sich in Langley nicht mehr blicken. Niemand wusste, was er machte, und es wagte auch niemand, ihn danach zu fragen. Der erste entscheidende Hinweis kam von dem Russen namens Petrow. Kennedy war früher einmal in Moskau stationiert gewesen und hatte von der Zeit noch viele Kontakte. Mithilfe von einigen von Petrows alten Kollegen konnte sie ihn dazu überreden auszupacken. Er hatte von Abels Tod erfahren. Das Ganze war als Unfall dargestellt worden, doch Petrow wusste, dass der Brand kein Unglück gewesen sein konnte.
    Dem Russen war aber auch klar, in welch ungünstiger Lage er selbst sich befand. Er hatte die Wahl, entweder Irene Kennedy das wenige mitzuteilen, das er wusste, oder zu riskieren, dass ihm Mitch Rapp eines Nachts einen Besuch abstattete. Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer. Er erzählte Kennedy alles, was er wusste, und sein Beitrag war, wie sich herausstellte, von großer Bedeutung. Petrow konnte bestätigen, dass die Frau aus Frankreich stammte, und er vermutete, dass das auch auf den Mann zutraf. Er nahm weiter an, dass der Mann früher bei den Streitkräften gedient hatte und einmal in Amerika gelebt hatte, was wahrscheinlich schon länger her war. Er kannte all die Redensarten und Slang-Ausdrücke, die einem nur geläufig waren, wenn man längere Zeit in einem Land gelebt hatte. Petrow gab ihr die Telefonnummern und E-Mail-Adressen, die er verwendet hatte, um mit den beiden Kontakt aufzunehmen.
    Kennedy flog von Moskau nach Paris und traf sich mit ihren Amtskollegen von der DGSE und der DST, den beiden wichtigsten Sicherheits- und Geheimdienstorganisationen des Landes. Während viele französische Politiker eine sehr schwammige Haltung gegenüber dem Terrorismus einnahmen, verfolgten DGSE und DST in dieser Hinsicht eine sehr klare Linie. Sie gehörten zu den besten und erfolgreichsten Antiterror-Organisationen der Welt. Beide Männer wussten, was mit Rapp und seiner Frau passiert war. Rapp hatte schon mehrmals eng mit der DGSE zusammengearbeitet, und der Direktor versicherte ihr, dass er alles tun werde, um herauszufinden, wer diese Killer waren. Der Leiter der DST äußerte sich ähnlich, und so kehrte Kennedy in die Staaten zurück und wartete ab.
    Der Durchbruch kam drei Wochen später, fast fünf Wochen nach Annas Tod. Die DGSE schickte Kennedy zwei Dossiers. Der Name des Mannes war Louie Gould, und die Frau war Claudia Morrell. Alles, was in den Akten stand, stimmte mit den bekannten Fakten überein. Gould war ein ehemaliger französischer Fallschirmjäger und Sohn eines französischen Diplomaten, der längere Zeit in Washington
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