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Der falsche Mann

Der falsche Mann

Titel: Der falsche Mann
Autoren: David Ellis
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Spielt er uns vielleicht nur was vor?«, fragte Danilo. » Denn andernfalls ist ja wohl ziemlich klar, worauf sein Fall hinausläuft.«
    » Schon klar, Francis, aber das ist nicht unser Bier. Wir holen uns jetzt seine Aussage, und dann sollen sich die im Gefängnis um ihn kümmern.«
    Danilo nickte und stupste mit dem Handrücken leicht gegen ihren Arm. Dann schnappte er sich den Karton mit den Beweismitteln, und gemeinsam betraten sie den Verhörraum.
    Der Geruch traf sie wie ein Schlag vor die Brust. Massive Körperausdünstungen raubten ihnen fast den Atem. Tom Stoller hatte schwarzes, verfilztes Haar, das in alle Richtungen abstand, und einen langen Bart, in dem sich diverse Abfälle und Essensreste verfangen hatten. Er trug ein schmuddeliges T-Shirt und ein fleckiges, zerrissenes Hemd mit verblasstem, unleserlichem Aufdruck. In diesen Kleidern hatte man ihn aufgegriffen. Was erstaunlich war, denn er lebte und schlief draußen, und bei den aktuellen Minusgraden schien diese Bekleidung alles andere als angemessen.
    Unter Stollers dunklen, nervös zuckenden Augen hingen schwere Tränensäcke. Seine Wangen waren fleckig und von Narben entstellt. Er war unnatürlich dünn. Als die beiden Detectives den Verhörraum betraten, duckte er sich, reagierte aber ansonsten nicht auf ihre Anwesenheit.
    Detective Danilo wollte schon loslegen, zögerte dann aber einen Moment. Der Verdächtige war ein Irakkriegsveteran, der jetzt obdachlos war. Natürlich war er offiziell nicht das Opfer, aber auch sein Leben hatte tragische Züge. Für Danilo waren es mit die schlimmsten Momente seines Jobs, wenn er mit dem Täter genauso viel Mitleid empfand wie mit dem Opfer.
    Danilo schaltete die Videokamera ein und blickte durch den Sucher, um ganz sicherzugehen, dass sie auf die Stühle und den Tisch gerichtet war. Natürlich war sie das, aber trotzdem – vor achtzehn Monaten hatte es in Area Two diesen Vorfall gegeben, bei dem die Kamera irgendwie verschoben worden war und der Detective es versäumt hatte, sie noch einmal zu kontrollieren. Richter Mulroney war alles andere als begeistert gewesen, als er Bilder von einer kahlen Wand zu sehen bekam und lediglich die Tonspur zu hören war; er hatte deswegen ein perfektes Geständnis über einen Doppelmord für unzulässig erklärt.
    Die Detectives ließen sich dem Verdächtigen gegenüber nieder. » Das hier ist Detective Francis Danilo. Ich bin Detective Ramona Gregus. Der Vernommene ist Thomas David Stoller.« Danilo nannte Stollers Sozialversicherungsnummer, seine letzte bekannte Adresse sowie Ort, Datum und Uhrzeit der Vernehmung.
    » Mr. Stoller, ich bin Detective Frank Danilo. Dies ist Detective Mona Gregus. Darf ich Sie Tom nennen?«
    Stoller hatte die ganze Zeit weiter vor sich hin gemurmelt, allerdings nun mit gesenktem Kinn und leiserer Stimme. Kauderwelsch. Unzusammenhängendes Gebrabbel.
    » Tom, würden Sie mich bitte ansehen?«
    Der Verdächtige blinzelte zu ihm hoch und straffte dann den Oberkörper.
    » Tom, Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht auf einen Anwalt. Wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, wird ein Pflichtverteidiger für Sie bestimmt. Haben Sie diese Rechte verstanden, Tom?«
    Der Täter blickte zwischen den Detectives hin und her. Dabei nickte er pausenlos mit dem Kopf. Die Videokamera würde das Nicken aufzeichnen. Das Regelwerk des Obersten Gerichtshofs schrieb an keiner Stelle vor, dass die Zustimmung verbal geäußert werden musste.
    » Tom …«
    » Haben Sie … Wasser?«, fragte Stoller, dessen Stimme rau und belegt klang. Eine erste Kontaktaufnahme.
    » Sie wollen Wasser, Tom? Wir holen Ihnen welches.«
    Detective Gregus verließ den Raum. Danilo wartete. Theoretisch hätte er fortfahren können, doch ein Verteidiger hätte leicht jede Aussage Stollers anfechten können, die er machte, während er auf sein Wasser wartete. Zwar würde kein Gericht dies als Zwangsausübung bewerten, aber ein entsprechender Anwalt konnte möglicherweise eine geneigte Jury davon überzeugen, Stoller hätte geglaubt, ihm würden lebenswichtige Grundnahrungsmittel verweigert, solange er den Cops nicht das Gewünschte erzählte.
    Kurz darauf kam Gregus mit zwei großen Styroporbechern Wasser zurück und stellte sie vor Stoller. Er stürzte beide Becher mit großen Schlucken hinunter, wobei Wasser aus seinen Mundwinkeln rann und von seinem schmutzigen Bart tropfte. Er schmatzte mit den
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