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Der Falsche Krieg

Titel: Der Falsche Krieg
Autoren: Olivier Roy
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mit gesellschaftlichem Status zu tun: Im Umfeld von Al Qaida (zahlreiche Anhänger sind nicht Mitglied in der Organisation) finden wir Menschen aus allen sozialen und wirtschaftlichen Schichten. Es handelt sich bei ihnen keineswegs zwangsläufig um verbitterte junge Arbeitslose und Opfer von Rassismus, wie das Beispiel der Londoner Ärzte, die zu Terroristen wurden, zeigt. Viele stammen auch aus gemischten Ehen, so Jamal Loiseau, der im November 2001 in Afghanistan ums Leben kam, Hakil Chraibi, ein 23-jähriger Student aus Montpellier, der 2006 nach Falludscha ging, und Mejjati, ein führendes Mitglied jener Zelle, die für das Attentat in Madrid 2004 verantwortlich war.
    »Rand« kann auch ein geografischer Begriff sein: Wie wir gesehen haben, sind sehr wenige Araber aus dem Mittleren Osten in der international operierenden, zweiten Generation der Al-Qaida-Kämpfer vertreten. Die erste Generation, die Generation von Bin Laden,
kam zwischen 1984 und 1992 nach Afghanistan, im Allgemeinen direkt aus Ländern des Mittleren Ostens. Es sind einige Syrer darunter (Imad-eddin Yarkas, genannt Abu Dahdah, einer der Anführer der Zelle von Madrid, aber er lebt in Spanien und ist mit einer Spanierin verheiratet) sowie Jordanier und Iraker. Marokkaner und Pakistanis, die in der zweiten Generation in Europa leben, sind überrepräsentiert (zu Ersteren gehören Mejjati und Bouyeri, Zacharias Moussaoui und Jamal Zougam). Interessant ist insbesondere die Zahl derjenigen, die aus Ostafrika stammen, wie die Attentäter der gescheiterten Anschläge von London am 21. Juli 2005 oder auch Binyam Mohammed, ein in London lebender Äthiopier, der in den Vereinigten Staaten festgenommen wurde, ebenso die Zahl der Konvertiten, von denen gleich die Rede sein wird. Kurzum, die Landkarte der Rekrutierungen von Al Qaida ist ganz und gar nicht deckungsgleich mit den Krisenregionen des Mittleren Ostens.
    In der Botschaft, die Mohammed Bouyeri nach dem Mord an Theo Van Gogh in Amsterdam im November 2004 zurückließ, erwähnte er nicht die Beteiligung holländischer Soldaten an den Einsätzen in Afghanistan und im Irak, sondern sprach nur von der »Blasphemie«, die Van Gogh begangen habe.
    Auffällig ist zudem, dass man bei fast allen Gruppen von Al Qaida sowie denen ihres Umfelds, die außerhalb des Mittleren Ostens operieren, auf zahlreiche Konvertiten stößt, die oft eine Schlüsselposition innehaben, was in den Annalen der radikal-islamischen Bewegungen
bislang ohne Beispiel ist. Zwischen 10 und 25 Prozent der Aktivisten sind Konvertiten. 1 Der Sprecher von Al Qaida in Pakistan ist gegenwärtig Adam Yahiye Gadahn, ein Amerikaner, dessen ursprünglicher Name Pearlman lautet und der aus einer bekannten kalifornischen Familie stammt. In den Vereinigten Staaten findet man in den Al Qaida nahestehenden Netzen auch eine Reihe konvertierter Schwarzer (James Ujaama, Kevin Lamar James, Levar Haney Washington, Gregory Vernon Patterson). Unter den vier Londoner Attentätern vom 7. Juli 2005 war Germaine Lindsay, der Wurzeln in Jamaika hat. Ein weiterer Terrorist, Andrew Rowe, bei dessen Festnahme im Eurostar Hinweise auf Sprengstoff gefunden wurden und der am 25. September 2005 verurteilt wurde, soll in Malaysia in regelmäßigem Kontakt zu einem anderen bekannten Konvertiten gestanden haben, dem Franzosen Lionel Dumont. Eisa al-Hindi (mit richtigem Namen Dhiran Barot), ebenfalls aus London und britischer Staatsbürger, war früher Hindu mit familiärem Hintergrund in Kenia; er reiste nach Afghanistan, dann nach Malaysia, wo er heiratete, und wurde schließlich wegen Anschlagsplänen auf Finanzzentren in New York festgenommen. Sein Werdegang ist damit typisch für einen internationalen Parcours im Stile Al Qaidas. Und ein anderer Konvertit, Don Stewart-Whyte, Sohn eines ehemaligen konservativen Politikers, wurde im August 2006 in London festgenommen und beschuldigt, an Plänen zur Zerstörung von Flugzeugen beteiligt gewesen zu sein.
    In Holland gab es die so genannte Hofstad-Gruppe,
der auch Van Goghs Mörder Mohammed Bouyeri angehörte und die sich aus mehreren Konvertiten zusammensetzte: den Brüdern Jason und Jermaine Walters, Söhnen einer Holländerin und eines schwarzen amerikanischen Offiziers und Martine Van der Oeven, einer ehemaligen Polizistin (Jason hieß Abu Mudschahid Amriki, denn Konvertiten nehmen häufig den Namen ihres Herkunftslandes an). Ein weiteres Mitglied, Abida Azzouz, war die Tochter einer holländischen Konvertitin. Der Mord an
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