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Der falsche Graf

Der falsche Graf

Titel: Der falsche Graf
Autoren: Edna Schuchardt
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heute überhaupt keine Lust zum Arbeiten."
    "Ach, komm!" Sonja legte ihr tröstend die Hand auf den Oberarm. "Die Zeit geht so schnell rum." Sie warf sich den Riemen ihrer Umhängetasche über die Schulter und schlüpfte durch die kaum sichtbare Tür in der Wandtäfelung. Karolina erlaubte sich einen zweiten Seufzer, ehe sie ihr Berufslächeln aufsetzte, das sie für alle Gäste des Hauses parat hielt.
    Dieses Lächeln fiel ihr heute besonders schwer. Am liebsten hätte sie alles liegen und stehen gelassen und wäre nach München oder in irgendeine andere Metropole gefahren, wo das Leben pulsierte. Karolina sehnte sich nach Lachen, nach Sich-Jung-Fühlen, Musik, Tanzen, Übermut. Schluss mit der Einsamkeit der viel zu großen Designerwohnung, Schluss mit Langeweile und dem ewigen Warten darauf, dass ER endlich nach Hause kam. Vielleicht sollte sie sich einen Liebhaber zulegen? Als hätte er ihre Gedanken gehört, erschien genau in diesem Moment Hermann Wimmergroß im Foyer. Er sah zu ihr herüber und Karolina senkte hastig den Kopf über die Tatstatur. Nein, der musste es nun wirklich nicht sein! Ein zu kurz geratener Oberkellner mit Römernase und Solarium gebräunter Haut, dem seine Frau ständig in den Schuhen stand, dass er endlich Karriere machen sollte war wirklich nicht der richtige Typ für ein schnelles, aufregendes Abenteuer. Nein, Danke für Backobst! So etwas mochte sich Karolina denn doch nicht antun. Da behielt sie lieber ihre Depressionen. Die verschwanden morgen oder übermorgen. Aber wie schnell wurde man einen Hermann Wimmergroß wieder los?

4. Kapitel
    Aus dem geplanten Spaziergang war nun doch eine ausgedehnte Wanderung geworden. Sein Bein bedankte sich dafür mit einem ziehenden Schmerz. Aber Simon nahm ihn ohne Grollen oder Hadern hin. Vor einem Jahr hatten ihm die Ärzte ein Leben im Rollstuhl vorausgesagt. Dank eiserner Disziplin und dem unumstößlichen Willen zu genesen, hatte Simon es trotzdem geschafft wieder auf die eigenen Füße zu kommen. Und nicht nur das, seit drei Monaten konnte er sogar auf die lästigen Krücken verzichten. Er war frei, konnte hingehen, wohin er wollte ohne jemanden um Hilfe zu bitten. Was machte da ein kleiner Überanstrengungsschmerz aus? Ein Klacks, wenn Simon bedachte, was er bereits durchlitten hatte.
    Er schenkte dem Doorman ein freundliches Lächeln, der den Gruß mit einem Zeigefingertippen an seine rote Mütze erwiderte als Simon durch die sich automatisch öffnenden Glastüren ins Foyer trat. Hier empfing ihn angenehm kühle Luft. In der Ecke am Fenster saß das übliche Quartett beisammen. Vier Skatfreunde aus Düsseldorf, die in Nagelschuhen und Lederhosen die Gegend erkundeten. Simon nickte den Herren zu, während er dem Empfang entgegenstrebte hinter dem ihn das freundliche Lächeln der Rezeptionistin erwartete. Ja, das wäre ein Mann, dachte Karolina, während sie Simon entgegensah. Ein richtiger Kerl aus Fleisch und Blut, nicht so ein verweichlichtes Yuppimännchen, das sich vor jedem Schnupfen fürchtet und nur seine Karriere im Kopf hat.
    "Guten Abend, Herr Strauber." Sie griff nach dem Schlüssel. "Hatten Sie einen schönen Tag?"
    "Ja, er war wirklich schön." Simon wirkte durch und durch zufrieden. "Ich bin zum Schloss Neuschwanstein gewandert und dann habe ich mir auch noch Hohenschwangau angesehen und den Alpsee. Es war herrlich."
    "Wie, Sie sind die ganze Strecke gelaufen?" Karolina sah ihn mit unverhohlener Bewunderung an. Simon lächelte verlegen.
    "Na ja, eigentlich wollte ich nur in den Ort, um mir ein Postkarten zu kaufen. Aber das Wetter war so schön und die Gegend so herrlich, da bin ich einfach immer weiter gegangen."
    "Oh, je!" Karolina sah ihn zwischen Mitleid und Anerkennung schwankend an. "Nun, dann sollten Sie sich jetzt ein gutes Abendessen und danach viel Ruhe gönnen."
    "Vor allem werde ich mir erst einmal einen Saunagang und eine Schwimmrunde in ihrem wunderschönen Pool gönnen", erwiderte Simon entschlossen. "Das ist die beste Prophylaxe gegen den bevorstehenden Muskelkater."
    Er nahm seinen Zimmerschlüssel, der diesen Namen eigentlich überhaupt nicht mehr verdiente, denn sämtliche Zimmertüren des Hotels waren mit einem modernen Elektronikschloss versehen, für das man zum Öffnen und Schließen nur eine schmale Chipkarte benötigte, verabschiedete sich von Karolina und ging zum Lift. Das Laufen fiel ihm jetzt doch schwer. Sein Bein fühlte sich an, als wäre es doppelt so dick als normal. Es wurde wirklich höchste
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