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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel
Autoren: Polina Daschkowa
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fertig«, sagte der Ermittler erstaunt. »Vielleicht hatten Sie mit jemandem Streit?
     Verstehen Sie doch, das ist wichtig!«
    »Mir geht es nicht gut«, entgegnete Gerassimow und hob, ohne sich umzudrehen, die Arme, als wolle er sich ergeben. »Ich habe
     Kopfschmerzen, verstehen Sie, ich muss eine Weile allein sein.«
    »Du hast dich angesteckt!«, rief Galina. »Wir müssen Fieber messen, bei mir hat es auch mit Kopfschmerzen angefangen, und
     dann kam der Hals. Warte, mein Lieber, warte!«
    Aber er schlüpfte schon in seine Schuhe, und im nächsten Augenblick schnappte das Türschloss ein. Der Ermittler vertiefte
     sich in sein Protokoll und notierte eilig und nervös etwas. In der Küche herrschte drei Minuten lang tiefe Stille, man hörte
     die Tropfen in die Spüle platschen. Galina drehte am Hahn, vor Anstrengung errötend. Doch das Wasser tropfte weiter.
    »Ich muss einen Klempner rufen.« Sie sank auf einen Hocker, dem Ermittler gegenüber, zog eine Zigarette hervor, und als er
     sich von seinem Protokoll losriss und für sie sein Feuerzug klicken ließ, fing sie seinen Blick auf und flüsterte seltsam
     leise: »Tun Sie irgendwas, lassen Sie ihn bewachen, finden Sie den Auftraggeber. Ich sterbe, wenn er getötet wird.«

Zweites Kapitel
    Der Wecker meldete sich mit Vogelgezwitscher. Julia Tichorezkaja tastete mit geschlossenen Augen auf dem Nachttisch herum,
     um den unseligen Piepser abzuwürgen, und beförderte ihn dabei unversehens auf den Fußboden. Nach einem kläglichen Klirren
     verstummte er.
    Julia drehte sich auf die andere Seite, zog sich die Decke über den Kopf und entschied, noch zehn Minuten liegen zu bleiben,
     schlief aber wieder ein und sprang erst um acht auf, als draußen auf dem Hof das Müllauto lärmte.
    Im Nebenzimmer schlief ihre vierzehnjährige TochterSchura. Julia lief sie wecken, und beide rannten in wilder Hast durch die Wohnung, sich gegenseitig anknurrend. Schura hatte
     in der ersten Stunde Algebra, das Fach, das sie am wenigsten mochte, und das Verhältnis zwischen ihr und der Mathelehrerin
     mit dem Spitznamen Viper ließ auch zu wünschen übrig.
    »Du wirst sehen, sie schleift mich zum Direktor, wenn ich zu spät komme«, greinte Schura, die, auf einem Bein hüpfend, versuchte,
     in ihre Hose zu schlüpfen.
    »Du wirst nicht zu spät kommen.« Julia half ihr in die Jeans. »Es ist erst zehn nach acht.«
    »Und wenn wir im Stau stecken bleiben? Bitte, kann ich nicht heute schwänzen? Ich schreibe morgen einen Test in Physik, ich
     werde den ganzen Tag büffeln, bitte, Mama, ich räume endlich mal die Küchenschränke auf und bringe die Wohnung auf Vordermann,
     wir ersticken schon im Dreck.«
    Julia warf eine Banane und einen Apfel in Schuras Rucksack, zog ihren Mantel an und nahm Schuras Jacke vom Haken.
    »Schluss jetzt. Hör auf mit dem Gejammer. Wir fahren.«
    Schura schniefte und fing so ausdrucksvoll an zu weinen, dass sich Julias Herz zusammenkrampfte, aber sie zog ihre Tochter
     entschlossen zum Auto, setzte das verheulte und beleidigte Mädchen drei Minuten vorm Klingelzeichen ohne Abschiedskuss vor
     der Schule ab und raste mit überhöhter Geschwindigkeit weiter zur Arbeit.
    Julia war kosmetische Chirurgin in einer großen Privatklinik für plastische Chirurgie.
    Bis zur Klinik waren es noch höchstens sieben Minuten, aber auf dem Prospekt Mira geriet sie in einen Stau, wurde nervös und
     machte sich Vorwürfe, dass sie Schura nicht erlaubt hatte, zu Hause zu bleiben.
    Der Stau löste sich realtiv rasch auf. Julia kam nicht zu spät, musste aber die Hoffnung auf eine Tasse Kaffee, einSandwich und eine Zigarette vor der Sprechstunde aufgeben.
    Natürlich wird die Viper sie aufrufen, dachte Julia gereizt, während sie ihren weinroten Škoda vor der Klinik einparkte, heute
     wird alles schieflaufen, das ist einfach ein Gesetz. Nach einem so nervösen, furchtbaren Morgen ist nichts Gutes zu erwarten.
     Na bitte, es geht schon los!
    Auf der breiten Kliniktreppe vertrat ihr eine hochgewachsene, kerzengerade Dame um die vierzig in offenem beigefarbenem Mantel,
     tadellos frisiert und manikürt, den Weg.
    »Entschuldigung, sind Sie Doktor Tichorezkaja?«
    »Ja, bitte?«
    »Guten Tag, Julia.« Das Gesicht der Dame zerfloss zu einem Hollywoodlächeln. »Sehr angenehm. Ich heiße Nina. Das ist meine
     Tochter Swetlana. Wir kommen von Valeria.«
    Die Tochter war höchstens achtzehn. Sie hielt sich sehr krumm. Das aschblonde glatte Haar fiel ihr ins Gesicht. Die
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