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Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)

Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)

Titel: Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
Autoren: Ina Jung , Christoph Lemmer
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Heroldsberg, dass die Peggy mit ihrer Mutter nunmehr in Lichtenberg wohnt.«
    Auf unsere Frage, wann er denn nun tatsächlich Kontakt mit Susanne aufgenommen habe, antwortete er: »Wir [Schwarz und seine Frau Ines] hatten uns ziemlich genau zu Beginn des Jahres 2001 bei ihr gemeldet und angefragt, ob wir in Zukunft wieder größeren Kontakt halten können.« Die Lage von Lichtenberg sei für einen Besuch recht günstig, da der Ort auf dem Weg zu seinen Schwiegereltern liege. Er habe vorgeschlagen, man könne ja mal vorbeikommen, vielleicht auch regelmäßig, und Susanne habe keine Bedenken angemeldet. Im Gegenteil, sie hätten sogar ein Treffen vereinbart, vielleicht um Peggys Geburtstag am 6. April oder um Ostern herum: »Jedenfalls sollte [der Termin] nicht in ferner Zukunft liegen.«
    Auf unsere Nachfrage, ob er das Kind mit einem solchen Besuch nicht verwirrt hätte – schließlich war Peggy bei der Trennung kaum ein Jahr alt, das letzte Mal hatte sie ihren leiblichen Vater 1995 gesehen –, sagte Martin Schwarz, Peggy habe gewusst, wer er sei. Nicht nur Susanne habe dem Mädchen von ihm erzählt, die Uroma hätte Peggy sogar Fotos von ihm gezeigt.
    Als er in der Nacht vom 7. auf den 8. Mai vom Verschwinden des Mädchens erfahren habe, hätte er alle Hebel in Bewegung gesetzt, um sofort mit Susanne Kontakt aufzunehmen. Seine Frau Ines habe sie schließlich erreicht. Nach dem Telefonat hätten sie sich sofort ins Auto gesetzt und seien nach Lichtenberg gefahren, um zu helfen.
    *
    Martin Schwarz und seine Frau beteiligen sich in den nächsten Wochen aktiv an der Suche nach dem vermissten Mädchen. Sie lassen eigene Suchplakate drucken, die sie mit Hilfe von Verwandten und Freunden in Ober- und Mittelfranken verteilen. Selbst ins tschechische Cheb (Eger) fahren die beiden. Ein Fernsehteam von Spiegel TV , das wegen einer anderen Sache vor Ort war, begleitet sie dabei und bietet als Gegenleistung Unterstützung durch ihren Übersetzer an. Im Touristikbüro des Ortes lassen sie tschechische Suchplakate erstellen, die örtliche Tageszeitung veröffentlicht über mehrere Tage hinweg ein Foto von Peggy.
    Wir fragten Martin Schwarz, warum er damals glaubte, Peggy könne sich im tschechischen Grenzgebiet aufhalten. Für ihn sei das naheliegend gewesen, meinte er. Die Gegend sei bekannt für Prostitution, auch für Kinderbordelle. Seit die Grenzen offen seien, hätten Zuhälter leichtes Spiel. Peggy passte seiner Meinung nach perfekt ins Beuteschema – blond, zierlich, blaue Augen. Ein hübsches Kind, das könne man ja auf jedem Foto sehen. Überhaupt das Foto: Schon 2001 habe er sich die Frage gestellt, warum die Polizei anfangs mit einem veralteten Foto nach Peggy suchte. Als er erfahren habe, dass die Ermittler mit einem wenigstens drei Jahre alten Bild an die Öffentlichkeit gegangen waren, sei er bestürzt gewesen. Er könne sich nicht erklären, warum Susanne der Polizei kein aktuelles Bild ausgehändigt habe. Sicher, in der ersten Aufregung könne das womöglich passieren, aber in den Tagen danach hätte sie den Ermittlern doch wohl ein neues geben können.
    Mit anderen Worten: Eine der aufwendigsten Suchaktionen der bayerischen Polizei begann mit einem veralteten Kinderfoto. Einem Bild, auf dem das Mädchen viel jünger aussah, als es der Wirklichkeit entsprach. Einem Bild, das erst nach über drei Wochen ausgetauscht wurde.

Kapitel 4
    Zeitnahe Zeugen sind die glaubwürdigsten
    N eben den Recherchen im familiären Umfeld von Peggy konzentriert sich die Polizei in den ersten Tagen darauf, den Ablauf des 7. Mai zu rekonstruieren. Die Ermittler wissen, dass Peggy kurz nach halb acht das Haus verlassen und im Laden von Jürgen Langheinrich eingekauft hat. Dass sie die Schule gerade noch rechtzeitig erreicht hat, welche Fächer sie hatte und dass sie nach Ende der sechsten Stunde herumgetrödelt hat. Auch der Weg vom Schulgelände über das Anwesen der Eders bis zum Marteau-Platz gilt als gesichert. Insgesamt haben sie Kenntnis über einen Zeitraum, der sich von 7.35 bis 13.25/30 Uhr erstreckt. Von da an wird es schwierig.
    »Zeitnahe Zeugen sind die glaubwürdigsten«, lautet eine gängige Kriminalistenweisheit. Aber wenn man sich allein die Vernehmungsprotokolle der ersten Tage vornimmt, wird deutlich, wie problematisch diese lückenlose Rekonstruktion für die Ermittler gewesen ist.

    14 Uhr: Gustav Frey sieht durch den Rückspiegel seines Autos, wie ein Mädchen mit einem langen Anorak oder Mantel in einen Wagen
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