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Der Falke von Aryn

Der Falke von Aryn

Titel: Der Falke von Aryn
Autoren: Richard Schwartz
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näher. Ich nehme an, ich soll den Falken für Euch wiederfinden?«
    »Nicht ganz«, antwortete der Graf mit einem schwachen Lächeln. »Ihr sollt verhindern, dass dem manvarischen Adeligen Lord Raphanael Manvare, der von König Hamil entsendet wurde, um das Verbrechen aufzuklären, etwas zustößt. Denn das käme uns im Moment entschieden ungelegen.« Er bedachte sie mit einem langen Blick. »Allerdings wäre es mir lieber, wenn Ihr weniger auffällig wäret. Hier in Manvare tragen Frauen keine …«
    »Keine Hosen?«, fragte Lorentha scharf.
    »Ich wollte Schwerter sagen«, verbesserte der Graf sie milde. »Aber wenn wir schon von Röcken und von Kleidern sprechen, ich hoffe, Ihr habt welche eingepackt?«
    »Nein«, sagte sie und hob eine Augenbraue. »Ich habe nur meine Uniform und meine Rüstung dabei. Warum sollte ich Kleider einpacken?«
    »Weil Ihr sie noch brauchen werdet«, meinte der Graf sichtlich erstaunt. »Könnt Ihr Euch das nicht denken? Bei der Bedeutung, die der Falke für die Menschen hier hat, müssen wir uns diskret verhalten. Die einfachste Art, Euch und Lord Raphanael bekannt zu machen, ist auf einem Ball, den Lord Simer morgen Abend geben wird.«
    »Ich gehe nicht auf Bälle«, teilte sie ihm ruhig mit. »Richtet es anders ein.«
    »Auf diesen, Major, werdet Ihr gehen«, sagte Mergton, und obwohl sein Lächeln sich kaum verändert hatte, sagte ihr sein Blick, wie ernst es ihm war. »Ich fürchte, ich muss darauf bestehen.«
    Ein Ball, dachte sie betroffen. Vor zwölf Jahren hatte sie sich von dieser Gesellschaft abgewendet, alles aufgegeben, was ihr Name und Titel ihr an Privilegien gab, und nun zwang er sie in diese Welt zurück?
    »Dann werde ich Uniform tragen«, teilte sie ihm steif mit. »Ein Rock gehört dazu.«
    Der Graf schien gar nicht mehr bei der Sache, für ihn war das alles wohl schon abgeschlossen. »Richtig«, bestätigte er und stand auf, wobei sein Korsett laut knirschte. »Nur, dass wir vermeiden wollen, alle mit der Nase darauf zu stoßen, dass Ihr bei der Garda seid. Tragt ein Kleid. Wenn es sein muss, ist das ein Befehl.« Er sah kurz zu ihr auf. »Das wäre alles, Major«, sagte er kühl, offenbar hatte er es aufgegeben, sie mit Freundlichkeit für sich zu gewinnen. »Ich habe mir die Freiheit erlaubt, Euer Gepäck bereits zu Gräfin Alessa vorzuschicken. Sie ist unterrichtet und versprach mir, Euch nach Kräften zu unterstützen. Sie wird Euch sicherlich auch in der Kleiderfrage helfen können. Die Kutsche steht bereit, um Euch zu ihr zu bringen.«
    »Danke, nein«, erwiderte die Majorin, als sie ihr Schwert von Meister Fellmar entgegennahm. »Ich denke, ich finde den Weg.«
    Nachdem er sie hinausgeleitet hatte, kehrte Meister Fellmar rasch zu dem Grafen zurück und schloss sorgfältig die Tür.
    »Ihr solltet Euch schämen«, sagte er, während er zum Fenster ging. »Sie so unter Druck zu setzen. Wolltet Ihr sie nicht mit Freundlichkeit gewinnen?«
    Der Graf schnaubte. »Sie sieht aus wie ihre Mutter, aber sie ist kalt wie Eis. Ihr habt doch gesehen, was Freundlichkeit mir brachte.«
    »Ihr habt sie mitten in der Nacht hierherzitiert, was habt Ihr erwartet?«, meinte Fellmar und schüttelte unverständig den Kopf. »Wenn Ihr auf ihre Hilfe hofft, hättet Ihr es anders angehen können.« Er musterte den Grafen prüfend. »War es denn nötig, sie in der Nacht noch kommen zu lassen?«
    Er war seit zwanzig Jahren der Sekretär des Grafen und in vielen Dingen sein Freund und Vertrauter. Da ihn der Graf in diese Angelegenheit mit eingebunden hatte, fand er, dass er es sich erlauben konnte, sich dazu zu äußern. Zudem war er anderer Ansicht. Ihr Lächeln zur Begrüßung sprach mehr davon, dass sie sich auch nach langen Jahren an Freundlichkeit erinnerte.
    Der Graf tat eine verächtliche Geste in Richtung des Hafens. »Wäre ihrem verdammten Schiff nicht der verfluchte Mast gebrochen, hätten wir mehr Zeit gehabt. Dann hätte ich sie zum Tee laden und nett plaudern können … aber die Zeit haben wir nun nicht mehr!«
    »Dennoch …«, begann der alte Sekretär, doch der Graf schüttelte den Kopf.
    »Du weißt selbst, dass ich es anders habe angehen wollen! Nur, dass dieser verfluchte Falke uns dazwischenkam. Was beschwerst du dich? Ich rücke doch nur gerade, was einst aus dem Lot geraten ist.«
    »Genau das ist es«, meinte Fellmar. Er trat an dem Grafen vorbei ans Fenster und schob mit einem Finger den Vorhang zur Seite. Von hier aus hatte man einen guten Blick über den
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