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Der Falke von Aryn

Der Falke von Aryn

Titel: Der Falke von Aryn
Autoren: Richard Schwartz
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wird!«
    Obwohl, dachte sie, als sie ein paar Schritte vor dem Tor stehen blieb, auf den Hafen mit seinem dunklen Wald von Masten hinabsah und tief die Seeluft einatmete, die Tausende Gerüche und Erinnerungen brachte, wenn es eine Stadt gab, in der Magie und Aberglauben nicht voneinander zu trennen waren, dann war es Aryn. Dennoch, schmunzelte sie bei sich, wenn ich als Wiedergänger wiederkomme, werde ich wohl anderes tun, als mich bei ihm zu beschweren.
    Irgendwie hat sich alles verändert, dachte sie, als sie weiter die Hafenstraße entlangging, nach Norden, wo die ganzen Lichter waren. Dort, die drei Häuser waren neu, ein Kontor, keine Kneipe mehr. Und doch war alles beim Alten geblieben.
    Selbst zu dieser späten Stunde waren die mächtigen Kräne in Bewegung, holperten schwere Karren auf eisernen Reifen über die unebenen Steine des Kais und konnte man die Vorarbeiter der Lademannschaften fluchen hören.
    Je weiter sie die Hafenstraße nach Norden ging, umso mehr veränderte sich das Bild, umso mehr sah sie Seeleute aus aller Herren Länder, denen ihre Heuer in der Tasche brannte und die sich eilen mussten, sie auszugeben, bevor ihr Schiff am Morgen wieder auslief.
    Um ihre Heuer loszuwerden, sind sie hier richtig, dachte sie bitter, es wäre doch eine Schande, wenn das gute Gold wieder seinen Weg zur See finden würde, Schiffe konnten untergehen, da war es fast schon ein gutes Werk, den Seeleuten das Gold aus der Tasche zu ziehen, bevor sie es in ihr nasses Grab mitnahmen.
    Doch das Herz des Hafens waren nicht die eng gedrängten Häuser an der Hafenfront, zumindest nicht bei Nacht, denn dann war die Schiefe Bank das schillernde und verdorbene Herz der Stadt. Hier reihten sich Tavernen und Hurenhäuser aneinander, schrien sich die Werber gegenseitig nieder, um die Vorzüge von heißen Frauen und kaltem Bier anzupreisen.
    Manche lebten gut davon, an anderen Stellen war das Elend offensichtlich, die junge Hure dort drüben, die einem Seemann gerade schöne Augen machte, wäre wohl auch lieber an einem anderen Ort.
    Was wäre wohl geschehen, fragte Lorentha sich, während sie langsam weiterging. Würde sie jetzt dort stehen? Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich wäre sie schon lange tot. Sie und Raban hatten ein gefährliches Spiel gespielt, eines, das man nicht auf Dauer gewinnen konnte. Sie hatten es beide gewusst, nur hatten sie keine andere Möglichkeit gesehen. Rabans Vater hatte es mit Ehrlichkeit versucht, hatte ein Leben lang hier im Hafen geschuftet, dann löste sich ein Netz und eine schwere Kiste fiel auf ihn herab, zerschmetterte ihm das Bein, ein paar Tage später war er tot, gestorben am Wundfieber und, wie Raban sagte, an Verzweiflung.
    An diesem Tag hatte Raban zum ersten Mal gestohlen. Eine Kerze, mit der er zum ersten Mal in den Tempel gegangen war, um sie für seinen Vater anzuzünden, um für ihn zu beten. Es war zudem der Tag gewesen, an dem er ihr das Leben gerettet hatte. Auch zum ersten, aber nicht zum letzten Mal.
    Ein Ruf riss sie aus der Erinnerung, und sie sah auf. Ein Seemann torkelte auf sie zu. »Hey, Schöne«, rief er. »Was … oh …« Er blieb vor ihr stehen und sah sie an, nur langsam schien er zu verstehen, dass irgendetwas an ihr anders war. »Ah!«, meinte er mit einem breiten Grinsen und beugte sich vor, um mit dem Finger auf ihr goldenes Schild zu zeigen. »Du bist bei der Garda!«, stellte er fest.
    »Ganz recht«, antwortete sie kalt und schob ihn mit der Hand zurück, als er näher kommen wollte. »Und du gehst jetzt besser weiter.«
    »Lass das!«, beschwerte er sich. »Ich hab doch nix getan!«
    »Komm, Süßer!«, rief die Hure und zwinkerte Lorentha dabei zu. »Komm besser her zu mir, ich zeig dir was Schönes, sie ist doch viel zu groß für dich!«
    Der Angesprochene sah nun zu Lorentha hoch und schien jetzt erst zu bemerken, dass sie ihn um einen guten Kopf überragte. »Stimmt!«, stellte er mit schwerer Zunge fest und ging schwankend auf die Hure zu.
    Lorentha sah ihm nach und schüttelte ungläubig den Kopf, nickte dankend der Hure zu, die dies mit einem breiten Grinsen quittierte, und ging dann weiter.
    Reiß dich zusammen, dachte sie, während sie sich zwang, ihre Hand zu entspannen, die sich so fest um den Schwertgriff gelegt hatte, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Er hat doch gar nichts getan. Wenn ich in Augusta nachts auf Streife gehe, gerate ich doch auch nicht in Panik, wenn mich einer nur schief ansieht! Geh gerade, herrschte sie sich selbst
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