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Der Falke des Pharao

Der Falke des Pharao

Titel: Der Falke des Pharao
Autoren: Lynda S. Robinson
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Mensch, der keinen vollständigen Schmuck benötigte, war ein Toter – ein Juwelier fertigt nur dann unvollständige Schmuckstücke, wenn sie als Grabbeigaben gedacht sind.
    Meren erhob sich aus seinem Stuhl, das Halsband baumelte an seinen Fingern. Er starrte mit leerem Blick auf das Einbalsamierungsmesser aus Obsidian. Und was war mit dem Ort, an dem Hormin getötet worden war? War es nicht der Ort der Toten gewesen? Grabschänderei. Welcher Ort war idealer, um mit seinen Komplizen einen Grabraub zu planen, als die Balsamierwerkstätten bei Nacht? Wenn Beltis von der Plünderung gewußt hätte, und in der Nekropole gewesen war, dann hatte sie Hormin entweder selbst getötet oder wußte, wer es getan hatte.
    Meren ließ das Halsband auf seinen Arbeitstisch fallen und zwang sich dazu, langsam zu gehen. Hormin hatte keine Bestechungsgelder angenommen, um seinen Reichtum zu vermehren, ebensowenig hatte er die Einkünfte, die sein Hof abwarf, gespart. Er hatte Gräber ausgeraubt. Ein Sakrileg. Vielleicht das schlimmste aller Verbrechen – die Schändung der Toten. Jemand, der sich solch einer Freveltat schuldig machte, riskierte den Fluch der Götter und die Rache aus dem Grab. Aber Meren hatte die Erfahrung gemacht, daß Habgier die meisten Ängste überwindet.
    Doch das Risiko war so groß, daß nur besonders reich ausgestattete Gräber es wert waren. Deshalb war der Einsatz hoch und die Gefahr größer. Die Friedhöfe wurden Tag und Nacht bewacht, und nur selten drangen Räuber ein, zumindest nahm das jedermann an. Doch Hormin hatte einen Weg gefunden, ein Grab auszurauben, wahrscheinlich, während er in der Nekropole gewesen war. Und das hatte ihm den Tod gebracht.
    Es war Zeit, sich in die Nekropole zu begeben. Die Sonne würde in ein oder zwei Stunden aufgehen; erst dann war es sicher, den Fluß zu überqueren. Meren griff nach der Kante des Arbeitstisches und schloß die Augen. Kysen schlief in einem Dorf, in dem sich ein Mörder aufhielt, wahrscheinlich sogar mehr als nur ein Mörder.
    Es war seine eigene Idee gewesen, ihn dorthin zu schicken. Jetzt bedauerte er diese Entscheidung. Die Grabräuber hatten bereits drei Männer getötet; er war sicher, daß sie vor einem vierten Mord nicht zurückschrecken würden.

Kapitel 16
    Er fiel in die Nekropole ein wie ein Löwe in eine Herde Antilopen. Mit seinen Kriegern stürmte er den Weg in das Tal hinunter, sie pochten mit ihren Speeren an die Tore, während er die Verzögerung verfluchte, die durch die Notwendigkeit, zu Fuß durch die Hügel und Felsen zu reisen, verursacht worden war. Jemand öffnete die Tore, und die Krieger drangen schnell hinein. Meren pflügte durch sie hindurch und schritt auf einen Mann zu, der der Anführer der Dorfbewohner zu sein schien, die beim Anblick seiner goldenen und bronzenen Rüstung und Waffen auf die Knie gesunken waren.
    »Ich bin der Falke des Pharao. Wo ist mein Diener?«
    Der Mann verbeugte sich vor ihm. »Ich weiß es nicht, Herr.«
    »Findet ihn, sofort.«
    Das gesamte Dorf wurde durchsucht, aber Kysen war nirgends aufzufinden. Rasend vor Zorn wandte sich Meren dem Mann zu, mit dem er zuerst gesprochen hatte.
    »Wer fehlt sonst noch? Schnell, Narr.«
    »D-die Frau Beltis, ein Maler namens Useramun, die Söhne des Sargzimmerers Pawero, der Künstler Woser. Die anderen arbeiten am Erhabenen Ort.«
    Meren umklammerte seinen Dolch und zischte durch die Zähne. »Verdammt sollt Ihr sein, wohin sind diese Menschen gegangen?«
    »Ich weiß es nicht, Herr. Euer Diener legte sich wie wir alle zur Ruhe. Ich nahm an, daß er schlief, als Ihr kamt.«
    »Wer seid Ihr?«
    »Thesh, Herr, Schreiber des Dorfes.«
    Abu tauchte aus einer Gruppe von Dorfbewohnern auf und stieß einen Mann vor sich her. Dieser Mann stützte einen anderen, der stolperte und winselte, während er sich vorwärts bewegte.
    »Ramose und Hesire, die Söhne des Pawero, Herr. Ich habe sie und andere befragt. Keiner von ihnen weiß, wo Euer Diener sich aufhält.«
    Merens Hand öffnete und schloß sich wieder seinen Dolch. Seine Gedanken rasten fieberhaft vor Zorn. Sämtliche der fehlenden Dorfbewohner hatten mit Hormin bei der Errichtung seines Grabes zu tun gehabt. Das Grab. Grabräuberei. Seine Erkenntnis flößte ihm Furcht ein. Das Herz pochte gegen seine Rippen, als ihm klar wurde, was sich zugetragen haben mußte. Kysen hatte den Mörder gefunden – oder der Mörder hatte ihn gefunden.
    »Thesh«, knurrte er. »Ihr werdet mir auf der Stelle den Weg zu Hormins
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